Was in den Fünfzigern als "Teufelsmusik" namens Rock'n'Roll seinen Anfang nahm, hat sich im Laufe der Zeit immer mehr in kleine musikalische Mikrokosmen aufgespalten. Heute gibt es mehr Genres in der Rockmusik als Starbucks Kaffeesorten auf der Karte hat. Unser Autor Jan Schütz stellt einige kurz vor:
Der so genannte Garagenrock (abgeleitet vom Klischee, der typische Sound wäre eben dort entstanden) entwickelte sich ab Anfang der Sechziger in den USA. Einfache Songstrukturen, teilweise aggressives Schreien, blechern klingendes Schlagzeug und harte Akkorde, die durch einen neuen technischen Verzerrer namens Fuzzbox gejagt wurden – das waren die Hauptmerkmale von Bands wie The Sonics, The Standells oder The Kingsmen. Anfangs war Garagenrock ein eher regionales Phänomen, doch dann bescherte die Popularität britischer Beatbands dem Genre einen kurzen landesweiten Boom in den USA. Als Vorbilder galten dabei aber weniger die braven Beatles, sondern eher Bands wie die Stones, die Kinks oder die Animals. Eine der wenigen britischen Garagenbands waren die Troggs. The Hives, The Black Keys oder die Yeah Yeah Yeahs verwalten heute das Erbe des Garagensounds.
Ein echtes Kind der aufkommenden Hippiekultur Mitte der Sechziger ist der Psychedelic Rock. Nach Timothy Learys bunter Wunderpille LSD wollten plötzlich alle nur noch ihr Bewusstsein erweitern und rosa Kaninchen zählen. Was fehlte war der passende Soundtrack zum Trip. Und viele Combos aus dem Blues- und Folkbereich ließen sich vom benebelten Zeitgeist anstecken. In den USA waren es The Grateful Dead oder The Byrds, im Königreich The Yardbirds, Donovan und sogar die "Fab Four", die plötzlich orientalische und antike Instrumente für sich entdeckten, die für den typischen Sound sorgten. Sitar, Tabla, Cembalo, Mellotron und Theremin – der Probenraum wurde zum reinsten Kuriositätenkabinett. Den letzten psychedelischen Schliff bekamen die schier endlosen, vertrackten Songs schließlich durch Echos, Rückkopplungen und durch das neu eingeführte "Wah-Wah", das die Gitarren leiern ließ. Die musikalische Grenzerfahrung dauerte bis zum "Summer of Love" 1969 und ebbte danach schnell ab. Weitere wichtige Vertreter des Genres sind The Doors, Jimi Hendrix und (die frühen) Pink Floyd.
Hardrock ist dagegen unverwüstlich und vermutlich das bekannteste Rock-Genre überhaupt. Während viele Spielarten nur kurzlebige Zeichen ihrer Zeit waren, kam Hardrock Ende der Sechziger, um zu bleiben. Er klingt so, wie sich auch Pop- oder Electrofans Rockmusik vorstellen: Laut, extrem gitarrenbetont (häufig doppelt besetzt) und mit treibendem Schlagzeuggewummer unterlegt. Diese Geräuschkulisse wird stilecht durch Gesang unterstützt, bei dem nicht selten selbst der Frosch im Hals nach Hilfe schreit. Nichtsdestotrotz muss man Hardrock aber noch zu den softeren Rockvarianten rechnen, mit klarer Melodie und strukturiertem, simplen Songaufbau. Aus dieser Familie stammen einige der einflussreichsten und bekanntesten Bands überhaupt wie beispielsweise Led Zeppelin, The Who, Black Sabbath oder AC/DC. Neben diesen Klassikern halten aber auch Newcomer wie wie Airbourne oder Shinedown das Hardrock-Zepter hoch.
Anfang der Siebziger hatten vor allem britische Künstler allmählich genug von musikalischen Experimenten. Zurück zum Ursprung hieß die Devise. Musik sollte wieder Spaß machen, Struktur haben und vor allem bunt sein. Der Glamrock war geboren. Und der war vor allem was fürs Auge: Hautenge Glanzoveralls mit Hochwasserhosen, goldfarbene Stiefel mit anmeldepflichtigen Plateauabsätzen und silberne Weltraumanzüge waren der letzte Schrei. Dazu Eyeliner, Lippenstift, Kajal und Glitzer, Glitzer, Glitzer. Die Bühne wurde zum Travestietheater. Kleinster gemeinsamer Nenner im Glamrock waren die schrillen, oft tuntigen Outfits und das Spiel mit den Geschlechtern – weniger die Musik. Die war relativ breit gefächert und hielt vom klassischen Rock'n'Roll (Alvin Stardust), über poppigen Rock (Slade, The Sweet) bis zu Hardrockelementen (T. Rex) für jeden etwas bereit. In den USA sprangen zunächst auch Iggy Pop oder die New York Dolls auf den kunterbunten Zug auf, bis der Glamrock 1976 vom Punkrock abgelöst wurde. Bands wie Suede oder auch The Darkness versuchen sich allerdings an einem Revival.
Punkrock stand Mitte der Siebziger für die Abkehr von jeglichem musikalischen Firlefanz, egal ob Klang, Länge oder Art der Gestaltung. Ganz in der Tradition der Garagenrockbands, besannen sich lokalen Szenen in den USA wieder auf das rebellische Element im Rock'n'Roll. Eine dieser Bewegungen kam aus New York City und fand im Club CBGB ein festes Zuhause. Von dort schwappte die Welle nach London. Die Einfachheit wurde zum Credo erklärt, nicht immer zum Vorteil für die Musik. Denn selbst komplett talentfreie Zeitgenossen durften Mikro, Gitarre, Bass und Drumsticks in die Hand nehmen und loslegen. "Drei Akkorde für einen Song" – das gilt im Punkrock bis heute. Effekte sind, bis auf den obligatorischen Kreissägensound der Gitarre, unüblich und Selbstfeierei in Form von langen Soli verpönt. Auch der Gesang war zumindest in den Anfangstagen nur Nebensache. Da die Songs selten länger als drei Minuten waren, hielt man aber auch die letzten Rohrkrepierer irgendwie aus. "Schneller, lauter, härter!" – dieses Motto haben die nachfolgenden Generationen in Subgenres wie dem Hardcore, dem Skatepunk oder dem Metalcore noch perfektioniert. Als Urväter des Punkrock gelten vor allem The Ramones, The Sex Pistols und The Clash; unter den modernen Vertretern tummeln sich beispielsweise Green Day, Bad Religion und Die Toten Hosen.
Beim Gothic Rock handelt es sich um ziemlich finstere Klänge, die man nicht unbedingt allein im Wald hören sollte. Atmosphärisch angelehnt an die sogenannten "gothic novels" (u.a. Dracula, Frankenstein), sind der molllastige Sound aus tiefer gestimmten Gitarren und Synthesizern (in späteren Jahren noch ergänzt durch Drumcomputer) sowie dunkle Gesangsstimmen typische Merkmale dieses Genres. Auf der Bühne wird das Ganze durch schwarze Outfits, Make-up, kaltes Licht und Nebelschwaden verstärkt. Texte über Tod, Horrorgestalten und Mythologie machen die Gänsehaut perfekt. Die Wiege des Gothic Rock war Ende der Siebziger die britische Post-Punk-Welle mit Bands wie Joy Division, The Cure und Siouxsie and the Banshees. Seine Blütezeit dauerte dann von etwa 1982 bis zum Ende der Neunziger. Die englische Band The Sisters Of Mercy nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Sie gilt als diejenige, die die Überleitung vom zwar düsteren, aber doch recht soften Gothic-Stil der frühen Bands zu einer härteren Gangart schuf. Weitere bedeutende Gothic Rock-Bands: Fields of the Nephilim und Alien Sex Fiend.
In den drei Bänden der "Schule der Rockgitarre" findet ihr übrigens eine ganze Reihe dieser Stilistiken wieder. So behandelt zum Beispiel das 3. Kapitel in Band 2 ausführlich das Thema Alternate Tunings (siehe oben bei Gothic Rock).
In der nächsten Ausgabe beschäftigen wir uns dann mit den diversen Metal-Styles! (js)