Wer wissen möchte, welche Gestalten und welcher Sound sich hinter den vielversprechenden Namen Anto Macaroni, Pikkle Henning und Renato Vacirca verbergen, sollte Sonnenbrille und Tequila bereithalten. Die Puta Madre Brothers aus Australien verfestigen mit ihrem zweiten Album "It's A Long Way To Meximotown" (VÖ: 23.03.) ihre Rolle als Vertreter des Spaghetti-Western-Mariachi-Fun-Rock'n'Roll. Mirjam Miethe hat sich auf das musikalische Roadmovie eingelassen.
Recht nah an ihrem ersten Album "Queso y Cojones" (zu Deutsch: Käse und Eier) von Anfang 2011 bietet auch der Nachfolger ein komprimiertes Vergnügen aus kurzen instrumentalen Tracks und längeren Gesangsnummern. Warum auch nicht? Mit dem zweiten Werk muss sich eine Band, die sich erst 2008 formierte, schließlich noch nicht neu erfinden. Da der Testballon des 30minütigen Debüts gezündet hat, bleiben die Jungs weiterhin auf einer klaren und recht einfallsreichen Linie – mit dem Ziel Meximotown.
Auf dem Weg dorthin gibt es einen unterhaltsamen Soundtrack, der unweigerlich in die Zeit zurückversetzt, als die Regisseure Quentin Tarantino und Robert Rodriguez ordentlich Wüstensand im Kamera-Getriebe hatten. Der Roadmovie-Vampir-Streifen "From Dusk Till Dawn" prägte schließlich das Mexiko-(Klang-)Bild einer ganzen Generation. Neben seinen derben Splattereffekten lebte der Film vor allem vom oft ironischen, spaßorientierten Soundtrack von Tito and Tarantula. Davon unterscheiden sich die Puta Madre Brothers durch ihre abgebrühte Coolness. Alles etwas härter als die sexy Fiesta Mexicana aus den 90ern und daher das Richtige für alle, denen Tarantino und Co. etwas zu viel des Guten waren. Trotzdem dürfte sich auch für diese Band ein cleverer Filmemacher finden lassen, der sich für das retrolastige Flair und die assoziativen Qualitäten dieser Musik begeistert.
Der Soundtrack in spe startet jedenfalls stilecht mit dem Song "La Mierda" (die Scheiße) und beschwingtem mexikanischem Tanzsound. Gesang gibt es weniger, dafür feurige Zwischenrufe. Sowohl Stimmung wie auch Mischung passen. Nach diesem Teaser von einer Minute geht es, gut vorbereitet, etwas rockiger weiter. Der Cover-Song "Todo El Asunto" (die ganze Sache) hat eine schnellere Gangart und einen schönen Mittelteil, der nur aus Rhythmus-Geklopfe besteht. Dann kommt der Gesang zurück, sich wiederholend wie ein Mantra, und nach drei Minuten beginnt der nächste instrumentale Boxenstopp "Chicken Chase The Donkeys".
In dieser Abfolge reihen sich die 14 Songs des Albums aneinander: unterschiedliches Tempo, aber gleiches Feeling im Wechsel zwischen spanischer, englischer und gar keiner Sprache. Thematisch, wie könnte es anders sein, geht es um die Angelegenheiten von Möchtegern-Mexikanern on the road: Küsse, Ärsche, Schwiegermütter, Einsamkeit, hässliche Hunde, Stolz und ein ganz klein bisschen Pathos.
Ein Highlight auf dieser Tour ist "The Young Horse". Hier klingen die Gitarren besonders dreckig, und die gepfiffene Melodie versetzt den filmbegeisterten Hörer weitere Jahrzehnte zurück. Eine gewisse Anspannung kommt auf, wie bei "Spiel mir das Lied vom Tod" oder einem anderen Western-Showdown unter heißer Wüstensonne. Schön auch der stimmungsvolle Ausklang mit Windgeräuschen. Das immer wieder hart durchgreifende Gitarren-Geschrabbel (auch bei "Nothing On") verortet den Sound der Puta Madre Brothers wieder im Hier und Jetzt.
Den Mond mit langsamen Stücken anzuheulen, gehört auch zum Repertoire der Australier, zum Beispiel bei "Para Su Madre" (für ihre Mutter) oder "Man Of Stolen Hearts". Die existenzielle Lagerfeueruntermalung kommt allerdings nicht gegen die wilderen Tracks an. Gerade bei diesen Titeln wird klar, dass der Exoten-Joker noch nicht ganz bis zum Kultpotenzial reicht. Ein bisschen scheinen sie in ihrer selbstgewählten Rolle gefangen. Damit spielen die Australier eben noch nicht in der Tarantino-Liga. Mit der Betonung auf "noch".
Wer sich mit auf die Reise nach Meximotown begeben will, hat im April eine Reihe von Möglichkeiten, wenn die Brüder auf deutschen Bühnen ihre Stopps einlegen. Wie bei so vielen Bands fügt sich das komplette Bild des Trios erst bei einem Live-Auftritt zusammen. Allein wie sie sich sitzend auf all ihre Instrumente verteilen, ist schon den Konzertbesuch wert. Anto: Leadgitarre, Bassdrum, Snare, Becken. Pikkle: Bass, Bassdrum, Fuß-Maracas, Hi-Hats. Renato: akustische und elektrische Gitarre, Bassdrum, Fuß-Tamburin, Kuhglocke.
Der eigenwillige Auftritt der Puta Madre Brothers ist durchaus als filmreif zu bezeichnen. So denkt man beim Anblick der Drei unweigerlich an Bürgerkriegsaktivisten: olle, grüne Uniformjacken mit Orden garniert, durch fettige Schmiere nach oben gestylte Haare, die Gesichter mehr schmutzig als braungebrannt. Kein Wunder, dass sich mancher an die Leningrad Cowboys erinnert fühlt. Das ist artifizielle Authentizität. (mm)