Ok, wir haben es verstanden. Jahresrückblicke sind zu einem gesellschaftlich geforderten Phänomen herangereift. Und was ARD, Stefan Raab und RTL können, das kann SdR schon lange: Hier ist also unser Rückblick auf das Jahr 2010! Franka Langer hat ihn allerdings begrenzt auf das Wesentliche: die Musik.
Das Jahr 2010 begann mit einem Ende: Im Januar gaben die Scorpions ihre Trennung bekannt. Das Abschiedsalbum folgte dann im März mit "Sting in the Tail". Das letzte Werk nach einer 40-jährigen Bandgeschichte brachte den Hannoveranern in der ersten Woche Gold ein.
Pöbelalarm im Februar: Das Oasis-Album "(What's The Story) Morning Glory" aus dem Jahr 1995 wurde auf den Brit Awards als "bestes Album der letzten 30 Jahre" gekürt. Sänger Liam Gallagher nahm den Preis allerdings statt mit Dank an Mami, Fans und ehemalige Bandkollegen lieber mit wüsten Flüchen entgegen, schmiss das Mikrofon ins Publikum und verschenkte den Award an einen Zuschauer.
Verbindet man Gothic-Kitsch mit Schmuseschlager-Texten, trifft man damit scheinbar ganz genau den Geschmack der Masse. Zumindest landete Unheilig mit diesem Rezept im März ganz oben im deutschsprachigen Charthimmel: Ihr Album "Große Freiheit" verkaufte sich nahezu eine Millionen mal und wurde das am längsten an der Chartspitze stehende deutschsprachige Album. Adieu, Grönemeyers "Ö"!
Der April war, ganz im Zeichen der heiligen Osternacht, der Monat der Wiederauferstehungen: Blur meldete sich nach sieben bühnenfernen Jahren mit der Single "Fool‘s Day" zurück, die im Rahmen des Record Store Days veröffentlicht wurde. Und auch die Deftones gaben nach dem tragischen Unfall ihres langjährigen Bassisten Chi Cheng im November 2008 mit der Platte "Diamond Eyes" wieder ein kraftvolles Lebenszeichen von sich. Außerdem war da noch Slash, der pensionierte Guns'n'Roses-Gitarrenvirtuose: Er brachte eine Soloplatte heraus, auf der sich eine erstaunliche Anzahl von herrlichen Gastmusikern wie Lemmy, Iggy Pop, Myles Kennedy oder auch Kid Rock tummelte; fraglich bleibt nur, was Black Eyed Peas Frontluder Fergie auf der Platte zu suchen hatte...
Im Mai waren wir alle ein bisschen Lena. Schließlich beschenkte uns die 19-jährige mit dem ersten Grand Prix Sieg seit 1982. Und dann kam ihr Zwillingsbruder Uwu Lena, der uns mit "Schland o Schland" im Takt der Fußball-WM wippen und feiern ließ.
Wenig rockig, dafür jedoch von fundamentaler Bedeutung im Boygroup-Universum, war die Wiedervereinigung, die im Juni bekanntgegeben wurde: Robbie Williams und Gary Barlow kündigten ein Duett und einen Monat später die Reunion von Take That an. Und tatsächlich: Im Oktober hüpften Robbie und Gary bereits in Brokeback-Mountain-Manier als einsame Cowboys über die Felsen und besangen die Fehler ihrer Vergangenheit. In all der Glückseligkeit gingen die genialen Pläne von Korn fast unter. Die beschlossen nämlich, ihre Platten Nummer 3 bis 8 in der Pfeife zu rauchen und bei Altbewährten neu anzusetzen. Passend dazu nannten sie ihre neue Platte "Korn III - Remember who you are". Die Umsetzung war bedauerlicherweise jedoch nicht von gleicher Genialität wie die Idee an sich...
Der Juli war vor allen Dingen eins: heiß! Und zu saharaähnlichen Temperaturen gehören bekanntermaßen keine düsteren Gitarrenriffs, sondern ein eiskalter Caipirinha, eine Sonnenliege und – ja natürlich! – der passende Sommerhit. Den verdankten wir 2010 Yolanda Be Cool & DCUP, die mit der Single "We No Speak Americano" so ungefähr jedes noch ansatzweise brauchbare Tanzbein in Bewegung versetzten.
Im August veröffentlichten Iron Maiden mit "The Final Frontier" das einzige klassische Metal-Album, das es 2010 an die Chartspitze schaffte. Noch erfolgreicher konnte sich der Britpop, genauer gesagt ein bis dato unbekanntes Duo namens Hurts, auf den oberen Chartplätzen einnisten: Die Arbeitslosengeldempfänger Theo Hutchcraft und Adam Anderson sangen wie "wonderful" das "life" doch sei, und wurden damit über Nacht die Newcomer des Jahres.
Einen gelungenen Start in den September bescherte uns Killers-Frontmann Brandon Flowers mit seinem ersten Soloalbum "Flamingo". Außerdem brachte die Boygroup des New Metal-Universums Linkin Park "A Thousand Suns" heraus und verwirrte mit Elektroelementen und melodischen Klängen so manch alteingesessenen Fan. Verwirrend war im September auch ein Blick über den Rockmusik-Tellerrand: Lady Gaga erschien auf den MTV Video Music Awards in einem Kleid aus rohen Fleischstücken.
Leider nicht so golden wie erwartet, präsentierte sich der Oktober in Form des neuen Kings of Leon-Albums "Come Around Sundown". Liebe Könige, wo sind eure herrlichen Hymen hin?
The boss is back! Für seine Darkness-Platte nahm Bruce Springsteen im Jahr 1978 insgesamt 70 Songs auf, 10 davon landeten bekanntermaßen tatsächlich auf dem Album, 22 weitere folgten nun, 22 Jahre später: Im November veröffentlichte der Boss die Doppelplatte "The Promise" und schoss damit prompt auf die Eins.
Es gibt in unserem ganz alltäglichen Chaos zum Glück noch einige Gesetzmäßigkeiten: Alle Jahre wieder kommt das Christuskind – und alle zwei Jahre meldet sich Lemmy mit einer neuen Platte zu Wort. Und so war es kein Wunder, dass im Dezember "The Wörld Is Yours" erschien und genau so klang, wie Lemmy und Co immer klingen. Motörhead ist eben die verlässliche Konstante im Leben eines jeden Musikliebhabers.
2010 ist nun vorbei, aber kein Grund sentimental dahin zu werden. Während unsereins die Jahreswende mit Fondue, Chinaböllern und Dinner for One verbrachte, brodelten im Rockuniversum bereits die nächsten Kracher. 2011 hält viel parat, los geht es im Januar mit zwei wundervollen Neuerscheinungen: dem Beatsteaks-Album "Boombox" und "Hard Times & Nursery Rhymes" von Social Distortion. Und was das neue Jahr uns sonst bringen wird, erfahrt ihr in der nächsten Ausgabe. Versprochen! (fl)