Dampfender Glühwein, der Geruch gebrannter Mandeln und das Strahlen tausender Lichterketten – in der Vorweihnachtszeit verfällt Ottonormalbürger nicht selten in einen schummrigen Zustand des Frohsinns und der Liebe. Gut, dass wir in Zeiten kollektiver Glückseligkeit noch unsere gestandenen Rockstars haben. Harte Jungs, die wissen, dass die Welt laut und obszön am meisten Spaß macht. Oder etwa nicht? Franka Langer hat für euch die vermeintliche Widerstandskraft der Rocker vor dem Weihnachtsvirus unter die Lupe genommen.
Einst wölbten sie stolz ihre Brust und protzten, sie seien berühmter als Jesus. Dann fingen die Beatles in der Adventszeit plötzlich an, für ihren Fanclub Weihnachtsplatten aufzunehmen. Während Paul McCartney in alter Rock'n' Roll-Manier wegen satter acht Gramm Marihuana in einem japanischen Gefängnis saß, wurde in Großbritannien seine Platte "Wonderful Christmastime" in die Regale geräumt. Und John Lennon, der in "Imagine" von einer Welt ohne Religionen träumt, verpackt seine Anti-Vietnamkrieg-Botschaft 1971 ausgerechnet in ein Weihnachtslied.
Einmal erwischt es also offensichtlich jeden. So lassen sich unzählige Einzeltäter ausmachen, die eigentlich nie jemandem etwas Böses wollten; die da so mehr oder weniger versehentlich reingerutscht sind. Es ist davon auszugehen, dass Chuck Berry nur beste Intentionen hatte, als er "Run, Rudolph, Run" 1958 einsang. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass jeder Rockstar von Keith Richards bis zu The Grateful Dead den Song covern würde? Selbst Gitarrenlegende Jimi Hendrix konnte sich dem Weihnachtssog nicht gänzlich entziehen. Auf einem Neujahrskonzert 1969 spielte er ein Medley zu "Stille Nacht" (wobei er zugegebenermaßen diesem unsäglich öden Klassiker ein bisschen Zauber einzuhauchen vermochte).
Doch leider gibt es auch jene Gestalten, die ihre Gitarren in vollem Bewusstsein immer und immer wieder für die Darbietung grausamer Weihnachtslieder instrumentalisieren. Bruce Springsteen schmettert beispielsweise schamlos und aus voller Seele "Santa Claus is Coming to Town", als wäre er Teil eines Coca Cola-Werbefilms – und das nicht selten auf Konzerten im Hochsommer! Und dann ist da noch Jon Bon Jovi, der König eines jeden rockigen Weihnachtsfestes. Mit gefühlten 22 Weihnachtsalben und unzähligen Live-Darbietungen der selbigen macht er fast schon Wham in der Dauerschleife Konkurrenz. Und dabei wünscht er sich ganz unverhohlen, dass "everyday could be like Christmas!" Schon klar, zu dieser Zeit verkaufen sich Bon-Jovi-Actionfiguren, bedruckte Christbaumkugeln und signiertes Geschenkpapier exzellent. Oh du fröhliches Fest! (fl)