Anfang Juni fand zum 26. Mal eines der größten und bekanntesten Festivals Deutschlands auf dem Nürburgring statt – Rock am Ring. Headliner dieses Jahr waren Linkin Park, Metallica und die Toten Hosen. Unsere Reporterin Corinna Würzberger berichtet von vielen Enttäuschungen – und ein paar Highlights:
"Erst Bändchen holen. Vorher kommt ihr nicht rein!" Verwundert schaue ich den bärigen Kerl mit langen Haaren an. Er zuckt die Schultern: "Ist schon seit letztem Jahr so." Das erklärt natürlich auch die lange Schlange vollbepackter Festivalbesucher vor dem kleinen weißen Zelt, das sich als "Bändchenausgabe" entpuppt. Na gut, das erste Bier geschnappt und angestellt. Kurz vorm Ziel die nächste seltsame Überraschung: "Bändchen an den rechten Arm oder ihr bekommt gar keins!", ruft uns ein Helfer kurz vorm Eingang scharf entgegen. Ein wenig missmutiges Gemurmel, doch Widerworte treffen auf taube Ohren. Wie Schafe werden wir grob und unfreundlich durch das Zelt geschoben, der rechte Arm wird unsanft durch die Lasche gezogen und auf ein Gerät gedrückt, das das Bändchen verklebt und die überschüssigen Enden direkt abschneidet. Dabei wird es unangenehm heiß und Haut wird schmerzhaft eingequetscht. Autsch. Einwände oder Reaktionen werden mit mürrischen Blicken gestraft.
Es folgen weitere penible Kontrollen vor und am Campingplatz. Später, ab ein Uhr nachts, herrscht dort irritierenderweise Totenstille. Traditionell sorgen doch sonst die "Zeltplatzterroristen" für 24-Stunden-Beschallung – und ihr riesiges Bundeswehrzelt ist die Campingplatzdisko. Auch ich wollte mich dieses Jahr den Terroristen anschließen, doch kurz nach der Geisterstunde hatten fünf Securitymänner vor der Tür gestanden und das Spektakel beendet.
Doch nicht nur die "Obrigkeit" vermieste uns das Festival, auch die anderen Festivalbesucher erwiesen sich als Spaßbremsen. So wurden unsere Jungs fast in eine Schlägerei verwickelt, weil sie es gewagt hatten bei den Dropkick Murphys pogen zu wollen. Eine Freundin und ich wurden bei Linkin Park von einer Trulla gebeten, doch bitte nicht mitzusingen, sie würde sich gerne komplett auf die Band konzentrieren. Madame selbst stand, wie viele anderen Konzertbesucher, nur bewegungslos da. Sieht so also Sex, Drugs und Rock’n’Roll 2012 aus??
Das Festival selbst glänzte mal wieder mit einem Spitzen-Line-up, das auch den unerhörten Preis verschmerzen lässt: Metallica, die zum 30-jährigen Jubiläum das komplette Black-Album spielten, Die Toten Hosen, die sich Unterstützung von Bad Religion Sänger Greg Graffin holten, Tenacious D um Schauspieler Jack Black und Kyle Gass, Linkin Park und viele, viele mehr.
Doch genau das ist auch das größte Manko von Rock am Ring: Es ist einfach zu groß. Es gibt drei Bühnen, die auf einer riesigen Fläche verteilt sind. So ist es fast unmöglich, zwischen ihnen hin und her zu wechseln. Tenacious D habe ich leider nur fünf Minuten gesehen, danach bin ich wegen schlechter Sicht- und Hörverhältnisse zum nächsten Konzert, das ich auch gerne sehen wollte. Bei Linkin Park hätte man sich schon nachmittags in den vorderen Bereich der Centerstage vorkämpfen müssen, um für den Abend noch einen guten Platz zu bekommen. Doch Evanescence spielte direkt vorher auf der „Alternastage“, und auch die wollte ich nicht missen. Entweder man entscheidet sich für einige wenige Bands, die man voll und ganz mitnimmt, oder man hetzt wie ich durchs Gelände und ärgert sich, dass man die eigentliche Bühne im Endeffekt (zumindest die Centerstage, wo die Headliner spielen) gar nicht sieht.
Bei dem Konzert von Halestorm auf der kleinen Clubstage habe ich wieder einmal den Charme kleiner Konzerte schätzen gelernt: Halestorm gehören zu meinen absoluten Lieblingsbands, doch in Deutschland sind sie noch ziemlich unbekannt und ausschließlich als Vorband unterwegs. Vor der Bühne standen circa 30-50 Leute, alle konnten den Text mitsingen und haben ausgelassen getanzt und gepogt. Ich stand in der dritten Reihe, obwohl ich den Anfang verpasst hatte, und es hat einfach nur Spaß gemacht. Einerseits weil die Band eine energiegeladene Show absolviert hat, aber auch weil ich das Konzert wirklich miterlebt und nicht nur aus Reihe 9.687 beobachtet habe. (cw)