Nachdem wir in der letzten Ausgabe ja nur eine Handwaffe dabei hatten, um uns durch den Dschungel der Rockgenres zu schlagen, haben wir für den zweiten Teil schwereres Gerät organisiert. Und bei Metal erschien unserem Autor Jan Schütz eine Planierraupe genau standesgemäß, um den Urwald zu lichten. Also, Motor an und los geht's:
Auch wenn aus heutiger Sicht der "normale" Heavy Metal schon fast als Fahrstuhlmucke durchgehen dürfte: Ende der 70er, Anfang der 80er war der neue Sound, den vor allem britische Bands wie Iron Maiden, Def Leppard oder Judas Priest präsentierten, für die Jugend eine Offenbarung. Auch hierzulande sorgten Accept, Warlock oder Grave Digger für neuen musikalischen Input: Nicht so dreckig und (gewollt) amateurhaft gespielt wie Hardcorepunk und weniger (aber immer noch 'ne Menge) Gekreische als beim Hardrock. Dafür bot die neue Musikrichtung ein Mehr an hart angeschlagenen Saiten – und das von Musikern, die tatsächlich ihr Handwerk beherrschten. Die eigentliche Revolution aber war die Rolle der Basstrommeln, die im Vergleich zum Hardrock viel stärker eingesetzt wurden und das Geschirr im Küchenschrank zum Tanzen brachten.
Aber da die Revolution ja gerne ihre eigenen Kinder frisst, musste bald schon wieder etwas Neues her. Nur wie sollte man es nennen? "Very Heavy Metal", "Heavy, Heavy Metal"? Zum Glück waren die Namensgeber etwas kreativer. Und so entstand Anfang der 80er vor allem in den USA (San Francisco und New York) und Deutschland (Ruhrpott) der Thrash Metal (von engl. to thrash = verdreschen). Passender konnte der Name gar nicht sein, wenn man sich anhört, wie sich vor allem die Drummer auf ihren Instrumenten austobten. Die damals neuen Formationen Metallica, Megadeth, Slayer und Anthrax (heute verehrt als "Big Four") oder auch Kreator und Sodom schlossen die Lücke zwischen der Härte des (ebenfalls noch jungen) Heavy Metal und der Schnelligkeit des Hardcorepunks. Harte, schnelle Akkorde, aggressiverer Gesang und Derwische hinter den Drums. Das war das Rezept, das in den folgenden Jahrzehnten immer weiter verfeinert und extremer wurde und zu unzähligen Subgenres führte.
Eine dieser extremen Spielarten ist der Death Metal, dessen Epizentren Mitte der 80er paradoxerweise vor allem das sonnige Florida, aber auch New York und Umgebung waren. Inspiration für Gruppen mit so heimelig klingenden Namen wie Morbid Angel, Cannibal Corpse oder Death war der bereits erwähnte Thrash Metal. Die Gemeinsamkeit besteht aber lediglich im extrem schnellen Schlagzeugspiel und der Aggressivität in der Stimme. Allerdings ist "Stimme" für das, was den Sängern der genannten Bands aus ihren Kehlen entfleucht, eine eher unpassende Wortwahl. Statt Gesang ist beim Death Metal nur noch ein tiefes Gegrunze oder Geknurre zu vernehmen, und Vokale lassen sich ohne Übung lediglich erraten. Begleitet wird das so genannte "Grunting" bzw. "Growling" von extrem tief gestimmten Gitarren und Bässen, die martialisch anmutende und "für den Laien" monoton klingende Flächen produzieren. Eine etwas melodischere, passenderweise Melodic Death Metal getaufte Spielart entstand Anfang der 90er in Schweden mit Bands wie At the Gates und In Flames.
Bevor es aber allzu düster wird, machen wir noch einmal einen kleinen Ausflug zurück in buntere Gefilde. Denn neben Heavy und Thrash Metal gab es Anfang der 80er vor allem in den USA noch ein großes Ding: Glam- oder Hair Metal. Auch wenn von "echten" Metallern nicht als Subgenre ihrer Musik angesehen wird – und daher auch als "Poser-Metal" verschrien ist – Bands wie Bon Jovi, Journey oder Twisted Sister boten damals den Soundtrack für jede Menge Herzschmerz. Vor allem die mit diesem Genre eingeführte "Powerballade" war von keiner Kuschelrock-CD wegzudenken. Eingängige Melodien, hoher, oft mehrstimmiger Gesang, der zum Mitgröhlen einlädt, expressive Gitarrensoli und einfache Strukturen – gespielt von androgyn wirkenden Bands mit hochtoupierten Miniplis (daher der Name), Lidschatten und hautengen Lederhosen. Zugegeben, bei solchen Attributen fällt die Vorstellung der Zugehörigkeit zum Metal nicht ganz leicht. Wer sich trotzdem ein Bild machen möchte, sollte sich den (nicht ganz ernst zu nehmenden) Film "Rock of Ages" ansehen.
Aber nun genug der Weichei-Mucke. Schließlich geht es hier ja um Metal, und der gehört hart! Wer's dazu aber auch noch verständlich und einigermaßen melodisch mag, dem dürfte Metalcore ziemlich gut gefallen. Anfang der 00er Jahre in den USA entstanden, verwurschtelt dieses Subgenre Elemente aus Thrash- und (Melodic) Death Metal sowie dem Hardcore zu einer brachialen Melange aus Riffwänden, Drumtornados, Growls und dem aus dem NY Hardcore hervorgegangenen "Shouting", das im Gegensatz zum "Growling" noch normalen, wenn auch sehr aggressiven Gesang hervorbringt. Im Gesamtklangbild überwiegt bei diesem Genre, das von Bands wie Killswitch Engage, As I Lay Dying, Heaven Shall Burn, Caliban oder Parkway Drive dominiert wird, eindeutig der Metal-Einfluss.
Eine etwas andere Richtung schlug ab etwa Mitte der 90er der Nu Metal ein, als dessen unumstrittener Vorreiter die kalifornische Band Korn gilt. Andere Vertreter sind oder waren Slipknot, Limp Bizkit und Linkin Park. Eine genaue Linie lässt sich bei diesem Genre nicht finden, da die Bands teilweise ihren eigenen Stil prägten. Dieser reicht von Hip-Hop- und Rap-Elementen, über DJs und Turntables bis zu Klängen, die eher dem Industrialrock zuzuordnen sind. Beim Gesang kommen Schreie, normale Gesangspassagen, Sprechgesang und Flüstern zum Einsatz. Diese Elemente werden in den Songs oft bewusst genutzt, um dramatische Brüche und Dissonanzen in der Struktur zu erzeugen. Gleichzeitig kann man dem Nu Metal aber eine im Gegensatz zu anderen Metal-Genres stärkere Rhythmusaffinität attestieren. Die Instrumente spielen, anders als bei den bereits genannten Metal-Arten eher eine untergeordnete, begleitende Rolle. Einzig die Bassgitarre tritt oft dominierend in Erscheinung. Trommelexplosionen oder verspielte Gitarrensoli hingegen sind so gut wie nie zu hören.
Nachdem sie hier bereits kurz erwähnt worden sind, widmen wir uns in der nächsten Ausgabe ausführlich den Gesangstechniken. (js).