Rock für die Ewigkeit – so könnte man den neuen Film von "Hairspray"-Regisseur Adam Shankman "Rock Of Ages" vielleicht ganz frei übersetzen. Das Original stammt zwar aus der Bibel, aber Shankman dürfte wohl eher an den gleichnamigen Def Leppard-Song vom 1983er Album "Pyromania" gedacht haben. Schließlich geht es in der Musical-Adaption um genauso diese Zeit und diese Musik: den Rock der Achtziger. Der Sound von Leppard, Poison, Journey. So wird der Film angekündigt. Mal was anderes. Das dachte sich auch unser Autor Jan Schütz und ist ins Kino gegangen.
Tom Cruise ist so gar nicht meine Baustelle. Dafür hat er mir die schöne Katie einfach zu sehr verhunzt mit seinem komischen Gehirnwäscheverein. Aber er spielt ja auch nur eine – wenn auch große – Nebenrolle in Rock Of Ages. Insofern (noch) vertretbar. Die Hauptrolle gehört, so lässt mich der Titel hoffen, dem süßen Sound des Rock. So wie schon mehrfach bewährt bei Streifen wie "Almost Famous" oder Adam Rifkins KISS-Wallfahrt "Detroit Rock City".
Denkste! Im Jahr 1987 spielt eine andere Musik! Das wird mir bereits nach zwei Minuten klar. Anstatt sich wie ein normaler Mensch zu unterhalten, fängt das blonde All-American-Girl, das da im Bus nach Los Angeles sitzt, plötzlich an, ihre Lebensgeschichte zu singen, jawohl: zu singen! Passenderweise zum Sound von Night Ranger's "Sister Christian" (keine Sorge, kannte ich auch nicht). Denn, so stellt sich schnell heraus, Blondchen hört auf den Namen Sherrie Christian. Mir schwant Böses. Ich hasse Musicals! Entweder Schauspieler oder Sänger, von mir aus auch gern beides – aber niemals gleichzeitig! Leider ist der Regisseur da wohl anderer Ansicht. Denn um es gleich vorweg zu nehmen: In den nun folgenden 118 Minuten beglücken die Charaktere des Films den Zuschauer oder besser Zuhörer ganze dreiundzwanzig Mal mit Eigenkreationen von "I Love Rock'n'Roll", "I Want To Know What Love Is" oder "Don't Stop Believin'". Mal alleine, mal im zuckersüßen Duett (so habt ihr Alec Baldwin wohl noch nie gesehen!) und mal im Chor. Originalhits von Def Leppard, Skid Row oder den Scorpions (!) als Hintergrundsound gibt es dagegen nur eine gute Handvoll.
Aber, um fair zu bleiben, die Songtexte sind gut auf die Story abgestimmt, der Sound hat Wumms und auch die Schauspieler machen ihren Nebenjob im Film und auf dem dazu gehörigen Soundtrack erstaunlich gut. Vor allem Tom Cruise liefert eine mehr als passable Leistung ab. Dazu gibt es wie im Originalmusical einige durchaus gelungene Stellen, an denen mehrere Songs zusammen geschmissen werden. Einer dieser so genannten mash-ups ist die sehr hörenswerte Mixtur aus Starship's "We Built This City" und "We're Not Gonna Take It" von Twisted Sister.
Aber worum geht es in Rock Of Ages eigentlich? Das ist schnell erzählt. Kleinstadtnaivchen Sherrie will in Hollywood als Sängerin durchstarten. Dort trifft sie auf den rehäugigen Großstadtcasanova Drew Boley, der das gleiche Ziel verfolgt und sich mit einem Kneipenjob im "Bourbon Room" über Wasser hält. Angetan von Sherries blauen Augen, bekommt Drew seinen Boss dazu, ihr einen Job als Kellnerin zu geben. Ihr neuer Arbeitgeber ist von nun an der abgehalfterte, ergraute Altrocker Dennis Dupree (Baldwin), der mit seinem Sidekick Lonny (Russell Brand) gegen die Pleite des berühmtesten Clubs der Stadt ankämpft. Die soll durch den letzten Auftritt des Megastars Stacee Jaxx (Tom Cruise als irgendetwas zwischen Axl Rose und Jon Bon Jovi) mit seiner Band Arsenal abgewendet werden. Blöd nur, dass die erzkonservative Gattin des frisch gewählten Bürgermeisters, Patricia Whitmore (Catherine Zeta-Jones), dort in Gedanken schon die pastellfarbenen, Achtung!, Benetton-Pullover ins Regal einräumt. Mehr Achtziger geht wohl nicht.
Sowieso, in Sachen Kulisse hat Shankman einiges aufgefahren, um einen 25 Jahre zurück zu katapultieren. Dabei hat er eindeutig bewusst bis zum Grundwasserspiegel in der Klischeegrube gebaggert. Vokuhilas, Jeanskutten, Neonfarben, Haarspray und Indianerfedern sind ebenso vertreten wie einige weitere Highlights, die hier aber nicht verraten werden. Dazu originalgetreue Replikas von Werbetafeln und Postern (genau hinsehen!) und dem damals wohl berühmtesten Plattenladen der Welt, Tower Records. Es gibt viel zu entdecken in Rock Of Ages. Nur die Auswahl der Schauspieler für das junge Liebespaar Sherrie (Julianne Hough) und Drew (Diego González Boneta) erinnert für meinen Geschmack ein wenig zu sehr an "High School Musical" als an Rock'n'Roll. Dafür die Musik umso mehr – selbst für eingefleischte Musicalhasser. (js)