Mit dieser Ausgabe endet unsere Trilogie zum Thema Rock und Metal. Zum Schluss tauchen wir aber noch einmal ganz tief ab – in den Schlund von Extreme-Metal und Hardcore. Das ist durchaus wörtlich gemeint, denn unser Autor Jan Schütz will euch einige der Gesangstechniken vorstellen, die in diesen Genres zum buchstäblich zum "guten Ton" gehören. Und keine Sorge, wir sind hier nach wie vor bei Schule der Rockgitarre und nicht bei "Expeditionen ins Tierreich". Das will erwähnt sein, wenn es um Begriffe wie Growling, Grunting oder gar Pig Squealing geht. Seid ihr bereit?
Den Anfang macht das so genannte Growling oder Grunting, was auf Deutsch übersetzt so viel bedeutet wie Knurren oder Grunzen. Und das trifft es auch ziemlich gut, denn menschlich klingt es nicht, was Sänger von Bands wie Cannibal Corpse oder We Butter the Bread with Butter durchs Mikro schicken. Man fühlt sich bei den teilweise extrem tiefen, kehligen Geräuschen vielmehr an das Gegurgel der besessenen Emily Rose oder einen heiseren Grizzlybären erinnert. Passenderweise findet man diese Technik vorwiegend auch im Bereich des Death Metal bzw. Deathcore.
Während ein Außenstehender das extrem tiefe, raue Gebrüll wohl nicht als Gesang, sondern als vokalisierten Lärm bezeichnen würde, stehen diejenigen, die diese Technik beherrschen, tatsächlich ihren Kollegen aus dem klassischen Gesang in wenig nach. Denn wie ein kürzlich durchgeführtes Projekt an der Uni Köln gezeigt hat, ist das was dort dem Rachen entfleucht eben nicht nur Krach, sondern es sind bewusst eingesetzte Töne, die mitunter mehrere Oktaven umfassen können. Produziert werden diese nicht nicht mit den "normalen" Stimmorganen, sondern durch das Vibrieren des so genannten Kehldeckels in Kombination mit – und jetzt wird’s richtig lecker – ausreichend Rachenschleim. Je mehr von diesem Glibber im Hals ist, desto eher geht der Dobermann vom Nachbarn jaulend flüchten.
Aber es geht auch "sauberer": Mit Pig Squealing zum Beispiel. Bei dieser Technik spielt nicht die Kehle, und somit auch nicht der Schleim, die lautbildende Rolle, sondern die Atmung. Man unterscheidet zwischen Inhale (Einatmen) und Exhale (Ausatmen). Woher der Name genau stammt ist nicht bekannt. Aber es klingt mitunter schon so, als würde ein Schweinchen Babe im Stimmbruch bei lebendigem Leib zu Spanferkel verarbeitet. Nicht ganz so tief und dunkel wie Growls, wird diese Technik meist nur passagenweise in Songs eingesetzt, um besondere Elemente zu betonen. Die Squeals erzeugen dabei einen Bruch in der Songstruktur. Es gibt allerdings auch Ausnahmen wie die Ein-Mann-Band Cemetery Rapist, dessen Lyrics ausschließlich aus (Exhale) Pig Squeals bestehen und die man selbst mit jahrelanger Übung wohl kaum noch entziffern kann.
Ziemlich klar geht es hingegen beim Screaming zu. Denn auch wenn man demjenigen, der sich dieser Technik bedient, am liebsten zentnerweise Wick Blau auf die Bühne werfen möchte aus Angst, er könnte jeden Moment die Stimme verlieren – die Texte sind mit etwas Übung meistens doch noch erstaunlich gut zu verstehen. Auch hier gibt es verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Während Oliver Sykes, Sänger der britischen Metalcore-Band Bring Me the Horizon ,sich durch 80 Prozent des Bandrepertoires brüllt und kreischt, setzen selbst Mainstreamkapellen wie Linkin Park Screams gerne mal als Stilmittel in ihren Songs ein. Anders als das Growling, das als eine Art Grundrauschen einen Song beherrscht, dient das Screaming eher dem Ausdruck von Gefühlen wie Aggression, Wut oder Frustration wie sie ja gerade im Bereich des Metal-/Death-/Hardcore textlich sehr gerne bedient werden. Aber auch hier klingt nicht jeder Schrei gleich, sondern kann sowohl in Höhe als auch Lautstärke entsprechend dem Zweck seines Einsatzes variieren und von hohem Gekreische bis zu tiefem Gekrächze reichen.
Auch wenn das jetzt alles andere als gesund klingen mag, bisher konnte weder wissenschaftlich noch medizinisch belegt werden, dass eine dieser Techniken Schäden an der Stimme verursacht. Also werden uns wohl auch in Zukunft zahlreiche Bands mit diesen besonderen Arten der Lautmalerei beglücken. Und wir uns über die potenziellen Schäden an den Ohren Gedanken machen ... (js)
Nur dass hier keine falschen Erwartungen geweckt werden: In den Bänden der „Schule der Rockgitarre“ kommen diese Techniken nicht vor. Es ist halt keine Grunz-Schule, sondern eine Gitarrenschule. Da wird nur auf sechs Saiten gekreischt und gejault!