Es gibt Clubs, die in der Republik bekannter sind als der gute alte bunte Hund. Das Frankfurter Batschkapp, das Huxley's in Berlin oder die Große Freiheit in Hamburg sind solche. Bremer Venues sind nicht in der Hall of Fame vertreten. Dafür machen wohl schlicht zu wenige Bands Station an der Weser. Zu Unrecht findet unser Autor Jan Schütz, selbst seit sieben Jahren im Weser-Exil. Zwei Beispiele:
Keine Panik! In der Aladin Music Hall begegnen euch keine krossgebratenen Goldkettchenträger mit zugekleisterter High-Heels-Trulla im Arm. Hier dreht sich fast alles um erdigen Rock. Und das seit mittlerweile 35 Jahren. Beflügelt vom Erfolg seiner Disco "Albatros", entschloss sich damals ein Jungspund aus Westfalen, ein ehemaliges Kino und die daneben liegende Gaststätte zu einer modernen Partylocation umzubauen. Ob der Innenarchitekt nur zu viel Sindbad-Filme konsumiert hatte oder doch zu viel Schwarzer Afghane – man weiß es nicht. Auf jeden Fall eröffnet sich dem Besucher des Aladin statt dem typisch kahlen Industrieflair, in dem Rockmusik meistens präsentiert wird, ein Hauch von Tausendundeiner Nacht: Wände und Decken in Terracotta und Orange, von Säulen gesäumte lange Flure und großzügige Räumlichkeiten, die man durch geschwungene Torbögen betritt. Neben den beiden Haupträumen Aladin und Tivoli (1991 durch Erweiterung dazu gekommen)gibt es diverse Bars, Raucherecken und eine Kneipe samt Billard.
Von diesem besonderen Innenleben können einige des Classic Rock Who is Who erzählen: Alice Cooper, Johnny Cash, Black Sabbath, Lynyrd Skynyrd, Motörhead, Iron Maiden, Uriah Heep, Steppenwolf... Damit lässt sich schon Werbung machen. Aber auch die jüngeren Generationen kamen mit Gigs von Nirvana, Pantera, Machine Head, Beatsteaks und Rammstein nie zu kurz. Insgesamt waren es seit 1977 laut eigenen Angeben über 2000 Bands – wenn auch nicht alle ausschließlich aus dem Rockgenre. An konzertfreien Abenden gibt es ein regelmäßiges Partyprogramm samt preisgekrönter Licht- und Lasershow. Dazu gehören schon lange feste Programmpunkte wie die überregional bekannte "Hardrocknacht" und der "Titty Twister Club". Und die Freunde von Gothic und Wave freuen sich über die "Rabenschwarze Nacht" (im Tivoli).
Eine ganz andere Art von Flair versprüht der Schlachthof (offiziell: Kulturzentrum Schlachthof) hinterm Hauptbahnhof. Hier atmet man Bremer Geschichte, ein Hauch von Revolution liegt in der Luft. Bis in die späten Siebziger gab es hier abgehangene Schweinehälften galore. Rocky hätte seine helle Freude gehabt. Dann machte der Betrieb dicht und ein paar Studenten erkämpften sich Teile des Geländes als Kulturraum. In das einzige Gebäude, das letztendlich von der Abrissbirne verschont blieb, zog 1981 ein eigens gegründeter Kulturverein offiziell ein.
Seitdem hat sich der Schlachthof in Bremen und umzu (wie man hier sagt) als feste Größe etabliert. Neben Theaterwerkstätten, Skateboard-Contests und regelmäßiger Studipartys finden in netter Atmosphäre regelmäßig Konzerte statt. Die kleineren davon steigen im schlicht gehaltenen Magazinkeller, dessen Hauptfläche wohl nicht viel größer als eine Doppelgarage sein dürfte. Dank der niedrigen Decken verwandelt sich das Ganze bei Vollauslastung dann auch gerne mal in eine Tropfsteinhöhle. Eine Etage höher, in der Kesselhalle spielen die Großen. Ebenfalls schlicht gehalten gefällt vor allem die extreme Nähe zur Bühne, die hier zudem auch noch fast ebenerdig ist. Die Tribüne drumherum ist wie ein Amphittheater angeordnet. Wer oben an der Seite sitzt, ist so nah dran, dass er wie Waldorf und Statler seinen Senf dazu geben kann. Mit einer Kapazität von bummelig 800 Zuschauern kann man sich das Ganze ein wenig wie eine Miniaturversion der Arena im "Thunderstruck"-Video vorstellen.
AC/DC waren wohl auch schon damals zu groß für den Schlachthof. Dafür spielten hier Die Toten Hosen an Ostern 1982 ihr allererstes Konzert. Überhaupt wurde hier in frühen Jahren der Deutschpunk zelebriert. Lokale Bands erzählen heute noch von Jugenderlebnissen mit Molotow Soda, Toxoplasma oder der Düsseldorfer Institution Fehlfarben. Dazu gesellten sich im Laufe der Jahre internationale Kapellen wie Black Flag, Sonic Youth oder Dinosaur Jr., und die Ärzte spielten hier als sie noch im Praktikum waren. Generell lässt sich wohl eine gewisse Punk(rock)verortung feststellen. Die Jüngeren von Euch können wahrscheinlich eher etwas mit Namen wie Rise Against, NOFX, Bad Religion, Millencolin oder Pennywise anfangen. Aber auch die Metalgemeinde wurde bedient. Napalm Death und Hatebreed stellten die alte Bausubstanz auf eine harte Probe. Und man kann von Glück reden, dass die Betreiber des Clubs die Sauerei, die die Maskenmänner von Gwar bei ihrem Konzert hinterlassen haben dürften, wieder weg bekommen haben. So wird es hoffentlich auch in den nächsten 30 Jahren noch Gigs geben.
Also, egal ob Partynacht oder Konzerttrip – auf nach Bremen! (js)