Seit mittlerweile drei Jahrzehnten macht die Punkrockkapelle Die Toten Hosen nun schon die Bühnen zwischen Rottweil und Rio de Janeiro unsicher. Und neben dem runden Geburtstag der Band feiern ihr Sänger Andreas Frege, besser bekannt als Campino, und Bassist Andreas Meurer, genannt Andi, 2012 auch noch beide ihren Fünfzigsten – unglaublich! Wo sind sie nur hin, "all die ganzen Jahre"? Unser Mitarbeiter Jan Schütz blickt zurück:
Während es "normale" Menschen in diesem Alter ruhiger angehen lassen, hieß es für die fünf Düsseldorfer vor zwei Jahren noch "Mach mal lauter". Und nach einer Schaffenspause – doch ein Tribut ans Alter? – kehren sie nun mit Album Nr. 24 (alles mitgezählt) und neuen Auftritten zurück. Zur Feier des Jahres haben sie sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Es wird eine Neuauflage ihrer legendären "Magical Mystery Tour" geben. Wer's noch nicht kennt: Bespielt wird, was ihr (auf eigene Gefahr!) der Band per Bewerbung zur Verfügung stellt. Euer Wohnzimmer, die Garage von Vattern oder die Schrebergartenlaube von Onkel Erwin. Der Tourauftakt findet allerdings im herkömmlichen Rahmen statt – im Bremer "Schlachthof". Auch wenn der längst nicht mehr der Größenordnung ihrer heutigen Spielstätten entspricht – da fing damals alles an. Am Ostersonntag 1982.
Mehr oder weniger hervorgegangen aus seiner Jugendband "ZK" (ursprünglich ZK Stadtmitte) finden sich in Düsseldorf Campino und vier weitere Jungspunde zusammen, die eines vereint: ihre Liebe zum Punkrock. Während man den heutigen Mitgliedern Campino, Andi, Breiti, Kuddel (alle vier seit damals dabei) und Vom Ritchie wohl attestieren muss, dass sie ihr Handwerkszeugs beherrschen, kann 1982 davon überhaupt keine Rede sein. Man bekennt sich zum genretypischen Dilettantismus. Zu Zeiten von "Opelgang", "Unter falscher Flagge" und "Damenwahl" geht es schlichtweg um "Rotzen, Rocken, Rauschgiftorgien" – so eine Schlagzeile aus dem Jahr 1987. Schlechter Sound, schiefer Gesang, Totalabstürze auf und hinter der Bühne, peinliche Vollrauschauftritte in Talkshows. "Mit Vollgas im Auftrag des Herrn" – so beschreiben sie damals ihre Gangart in einem ihrer Songs.
Wer dies nicht glauben mag, weil ihm Campino & Co. erst in den letzten Jahren über den Weg gelaufen sind, dem sei die Hosen-Biographie "Bis zum bitteren Ende ..." ans Herz gelegt. Dort schreibt Campino: "Auf unseren Room-Parties bekamen wir zuletzt Straßen für zigtausend Mark im Monat gelegt." Und ebenfalls dort erfährt der Leser auch wie nah das bittere Ende damals tatsächlich häufig war, und wie die Band vor zwanzig Jahren quasi über Nacht ihre innere Einstellung wechselte, den Drogen abschwor und damit den Grundstein für ihre heutige Professionalität legte.
Der kommerzielle Durchbruch lag da schon drei Jahre zurück. Mit ihrem Konzeptalbum "Ein kleines bisschen Horrorschau", inspiriert vom Kubrick-Kultstreifen "A Clockwork Orange", landeten sie zum ersten Mal in den deutschen Charts und legten den Grundstein für eine Megakarriere. Ihre Klassiker "Hier kommt Alex", "Liebesspieler" und natürlich "Opelgang" grölen mittlerweile Fans auf fast allen Kontinenten mit. Eine der treuesten Fanbases außerhalb Deutschlands haben sich die Hosen im Laufe der Jahre in Südamerika, und da insbesondere in Argentinien geschaffen. Das Land ist für die Musiker schon lange zur zweiten Heimat geworden, und 2012 jährt sich ihr erstes Konzert in Buenos Aires bereits zum zwanzigsten Mal – noch ein Grund zum Feiern.
Höhepunkte gab es in der Band-Geschichte so viele, dass sie den Platz hier sprengen würden. Daher nur eine kleine Auswahl: Ein Duett mit dem englischen Posträuber Ronnie Biggs, illegale Auftritte auf Anti-AKW- und G8-Demos, legendäre Weihnachtskonzerte, Gigs in Knästen und psychiatrischen Anstalten, auf Rosenmontagszügen und sogar auf der Zugspitze! Als "Die Roten Rosen" setzten sie deutschen Schlagern wie "Im Wagen vor mir" und Weihnachtsklassikern wie "Little Drummer Boy" die Punkrockmaske auf. Sie schufen eine Hymne für alle FC-Bayern-Hasser und schrieben das "Wort zum Sonntag" neu. Sie waren die erste Band, die vor der ehrwürdigen Kulisse des Wiener Burgtheaters auftreten durfte, und legten sich erfolgreich mit den Republikanern an.
Bei all dem Spaß haben die Hosen aber auch immer wieder leise Töne angeschlagen zu Themen, die sie bewegen. Songs zu sexuellem Missbrauch, Trauer oder über die Vergänglichkeit haben vor allem seit der zweiten Hälfte ihres Bestehens ihren festen Platz Repertoire der Band. Dass die Fans ihnen diesen Reifeprozess nicht übel nehmen, zeigen die immer noch ausverkauften Hallen. Das neue Album soll im Frühjahr erscheinen. (js)