Neue Songs für moderne (Großstadt-)Cowboys: The Don Darlings beschreiben ihre Musik als "Dark Southern Americana" und versprechen damit nicht zu viel. Die klassischen Countrymusik-Elemente wie heulende Gitarren, Banjo und Mundharmonika werden geschickt eingestreut – aber die gesamte Klang-Atmosphäre der Band ist wesentlich vielschichtiger als der Standard. Mirjam Blake-Miethe steigt hinab in die düstere Welt des Albums "The Don Darlings" (VÖ: 11.04., in Schweden 13.11.2013).
Auf dem Cover und der CD prangt das Schwarz-Weiß-Portrait einer finster drein schauenden Wildwest-Visage. Die selbstgedrehte Zigarette verächtlich in den linken Mundwinkel geklemmt, die Stirn unter dem schwarzen Hut in Falten gelegt, den Hals wohl lang nicht mehr gewaschen. Es könnte sich hier um den verbitterten Menschenhasser handeln, den die Band im Song "Julius The Misantrope" besingt. Vor dem inneren Auge lässt dieses Gesicht sofort eine Szenerie aufziehen wie in einer einer John-Steinbeck-Verfilmung ("Früchte des Zorn", "Von Mäusen und Menschen"). Eine treffende Wahl für ein Album, das nicht für Gute-Laune-Musik gehalten werden will.
Aber keine Angst, bei den Don Darlings kommt keine depressive Stimmung auf – obwohl das dem Schwermut-Klischee ihrer (Wahl-)Heimat Schweden, genauer Göteborg, entsprechen würde. Es mag am multikulturellen Background der Band liegen. Einen großen Anteil daran hat Leadsänger Damon "The Reverend" Collum, der aus Dallas, Texas, stammt. Auch die anderen Darlings - Martin Olsson (Gitarre), Tony Martinsson (Gitarre), Mika Häkki (Bass) und Johan Conse – (Schlagzeug) – sind nicht alle gebürtige Schweden. Nach dem Debütalbum "The Shorest Straw" (2010) und der EP "Monster" (2012) haben sie ein Werk abgeliefert, das bedeutend reifer klingt. Die zehn Tracks machen klar, dass die Band genau weiß, wo sie steht: nämlich dort, wo der Südstaaten-Wind um nordische Holzhütten weht.
Lang gefackelt wird nicht. So beginnt das Album direkt mit einer Auferstehung. "Resurrection" greift die immer wiederkehrenden Don-Darling-Grundthemen auf. Todgeweihte, raue Anti-Helden sehen dem Ende entgegen, beichten, bitten, heulen den Mond an. Die Musik dazu bewegt sich in langsamem bis mittel-schnellem Tempo. Unter die Western-Gitarren-Sounds mischen sich schwermütige Geigen, die die Tiefgründigkeit des Nordens mitbringen. Bei den nächsten Titeln "Provide Me An Angel" und "If You Can't Be Good" kämpfen ebenfalls Gut und Böse um des Sünders Seele. Wer gewinnt? Hier ganz klar der Country-Klang à la Spaghetti-Western.
Spätestens bei "Transcendental Noise" hat wohl selbst der letzte Hörer die Parallele zwischen Collums Gesang und der markanten Bassbariton-Stimme von Johnny Cash gezogen. Damit trifft der Amerikaner genau ins Herz der Finsternis. Doch sein Repertoire umfasst noch andere Altmeister-Stimmen. Den Song "Noose 'round My Neck" trägt er getragener in Leonard Cohen-Manier vor (vergleiche z.B. mit "Waiting For A Miracle") - oder klingt er doch eher nach Tom Waits? Nick Cave? Es bleibt kaum Zeit zum Vergleichen, denn das nächste Lied "Moonshine Baby" trägt gleich eine weitere Facette zum Gesamtkonzept bei. Das schräge Liebeslied ist cooler und rockiger, die Melodie sehr eingängig. Dieser längste Track der Platte dauert nicht grundlos fünf Minuten und endet in einem kleinen, aber kontrollierten Ausbruch des Leadsängers.
Darauf wechseln "Away From Me" und "Right Side Of Murder" wieder mit dem Tempo ab und lassen die Gitarren besonders schön scheppern. Wobei letzterer länger nachklingt und deutlich stärker ist, als andere Titel des Albums. Jetzt hat endlich das böse Gesicht vom Plattencover seinen Auftritt. Bei "Julius The Misantrope" klingt Damon Collums Sound distanzierter und verzerrter wie bei einem alten Mikrofon. Der Wechsel von der Ich-Erzähler-Perspektive zur Lebensgeschichte des verbitterten und versoffenen Alten ist ein kleiner Bruch, vielleicht jedoch eine nötige Abwechslung.
The Don Darlings klingt aus mit dem beinahe versöhnlichen "Let The River Run". Ein Sound, der sich dem Fluss des Lebens gern ergibt, sanft, beruhigend mit den säuselnden Backgroundsängerinnen. Fazit: Nicht vom grimmigen Julius verschrecken lassen – dieser Amerciana-Schweden-Mix sorgt zu keiner Sekunde für Schwermut sondern für eine beinahe wohlige Atmosphäre bei Feuerschein und Dämmerung. (mm)