Seine Brötchen verdient Alice Cooper derzeit scheinbar hauptsächlich als Werbetestimonial eines extraterrestrischen Elektronikkaufhauses. Ob er noch rocken kann? Dieser durchaus berechtigten Frage ist unsere Gastautorin Tanja Hoff auf den Grund gegangen. Mit ihren Freunden Hubi und Anja besuchte sie am 6. November Alice's Münchner Konzert im Zenith – und musste erstmal zwei Vorgruppen abwarten, ehe der Meister die Bühne betrat:
Schwul sind die jedenfalls nicht!
Yeah, es wird dunkel in der Halle und Runde 1 wird von vier Jungs mit Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren eingeläutet. Zugegebenermaßen muss ich erstmal schwer schlucken, weil die Band einfach nur laut ist! Doch nach einer gewissen Eingewöhnungszeit finde ich die Vier richtig gut. Echt gängige Songs, und die Stimme des Sängers überzeugt mich durchaus. Also, bitte merken: Straight Frank – die neue Schweden-Combo – vier Stockholmer, die sich erst 2008 als Band zusammengefunden haben und jetzt schon als Vorgruppe von Alice Cooper unterwegs sind – LAUT und coooool – von denen hört man bestimmt bald mehr!
Runde 2: Tarja – oder "Die Schöne und das Biest"
Abgesehen davon, dass Tarja Turunen ja schon seit "Nightwish"-Zeiten Opera-Metal-Geschichte schreibt (was für eine Stimme!!!), hat sie auch noch tolle Musiker mit am Start. Vor allem Drummer Mike Terrana mit der vogelwilden Irokesen-Frisur ist hinter seiner Drum-Festung eine Wucht und macht absolut Spaß – optisch wie akustisch. Am Ende unserer Show wirft er nicht nur seine Drumsticks ins Publikum, sondern greift auch noch nach dem Bassisten, der aber gerade noch entkommen kann. Und damit hatte er mehr Glück als sein Arbeitsgerät vor einigen Jahren. Hubi erzählte nämlich, dass er ihn mal mit Axel Rudi Pell erlebt hat. Dort kündigte er sein Solo mit den Worten an: "It's time for me to destroy this drumkit!" Autsch!
Mein Fazit zu Tarja, die ich heute zum ersten Mal erleben durfte: hinreißend, super, sympathisch, toll, GÄNSEHAUT und unbedingt wieder hin!!!
Finally Alice Cooper! – der wilde Alte mit der bunten Show
Leider gestaltet sich Runde 3 auch als Kampf mit ein paar Wahnsinnigen und als harte Probe für den geneigten Geruchssinn. Denn als Alice himself anfängt, die Bühne zu schock-rocken, flippt der vorher eher ruhige (fast lethargische) Typ vor uns völlig aus. Er verfällt in gnadenloses Headbangen und schüttelt wie wild sein Haar, das zwar kurz aber soooooooooooo fettig ist, dass wir alle drei spontane Ekelanfälle bekommen – BÄH! Kinder der Nacht! Zukünftig Haare waschen! Bitte!!!!!!
Neben Mr. Schmalzlocke sind da dann noch die kleine, fette Schweißschleuder und ihr Macker, die auch nach zahlreichen Schubsern, Ellenbogen und Anpfiffen so ziemlich aller um sie herum stehenden Leute nicht kapieren wollen (oder können?), dass nicht das restliche Publikum ein Problem hat, sondern sie selbst irgendwie irgendwas falsch machen. Die beiden randalieren nämlich derart herum, dass wir zunächst nicht allzuviel von der saucoolen Show von Alice Cooper mitkriegen. Was verdammt schade ist, denn ...
Es lohnt sich wirklich, so genau wie möglich hinzuschauen: Alice fuchtelt mit seinen 62 Jahren wie verrückt, topfit und in altbekannter Manier mit Unmengen schräger Accessoires auf der Bühne herum, wird dabei einige Male hingerichtet und wechselt zwischendurch natürlich mehrfach seine irren Kostüme. Böse (aussehende) Musiker, eine ebenfalls-häufig-Kostüm-wechselnde sexy Schönheit und einige immer finster verhüllte Kerls, die für effektvolles Herschaffen und Abräumen großer wie kleiner Requisiten zuständig sind, sowie ein Zyklop-(Kuschel-)Riese runden das Ganze ab. Krücke, Guillotine, Zwangsjacke, Krankenschwester-Puppe, Rollstuhl, Galgen, Degen, Riesenspritze, massenweise silberne Perlenketten, die nach Abschlecken durch den Meister höchstpersönlich von ihm ins Publikum geworfen werden, viiiiiiel Theater-Blut, eine große Deutschland-Flagge und schließlich riesige bunte Konfetti-Ballons für den Show-Down machen die Grusel-Rock-Nacht perfekt. Ach ja, Musik gab's natürlich auch! All seine Klassiker – laut, knackfrisch und saftig. Was will man mehr?
Am Ende habe ich wahrscheinlich doch die Hälfte vergessen, aber das macht ja nichts, weil der geneigte Leser nach dieser Erzählung und auf meine Empfehlung einfach selber das nächste Alice Cooper-Konzert heimsuchen wird. Oder etwa nicht? (th)