Konzerterprobte Musikfans wissen: Je mehr Instrumente die Bühne belagern, desto virtuoser die Performance. Als Bombay Bicycle Club - kurz BBC - am 17. Februar im Kölner Club Luxor spielten, kam jedes einzelne Gerät zum Einsatz. Von rudimentären Rocksolos bis hin zu schnörkeligen Elektro-Sounds, legte die Band aus North-London dem Publikum ihren ganzen musikalischen Horizont offen – und dieser reicht weit über schwammige Genre-Bezeichnungen hinaus. Die fünf Musiker lassen sich einfach in keine Schublade stecken. Bettina Taylor versucht trotzdem eine Annäherung.
Dabei war es genau das, wogegen sie in den ersten Jahren ihres Erfolges ankämpfen mussten. Noch bevor Jack Steadman (Gitarre, Gesang, Klavier), Jamie MacColl (Gitarre), Ed Nash (Bass) und Suren de Saram (Schlagzeug) ihren Schulabschluss in der Tasche hatten, gewannen sie 2006 den Bandcontest Road to V, der vom britischen Fernsehsender Channel 4 organisiert wird. Ein Jahr später erkannte auch die Musikpresse das Potential der "Teenie-Band". Das britische Musikmagazin NME beschrieb sie damals als die aktuell heißeste Band nördlich von London. Als sie 2009 mit ihrem Debüt-Album "I Had The Blues But I Shook Them Loose" Festivals in ganz Großbritannien rockten, ahnten wohl die Wenigsten, welchen Genre-Spagat sie mit ihrem musikalischen Reifungsprozesses noch hinlegen würden.
Nach dem soliden Indierock-Debüt schlugen Bombay Bicycle Club mit "Flaws" leise Folk-Töne an. Die eingängigen Melodien vom ersten Album tauschte Frontmann Jack Steadman mit kantigen Akustik-Arrangements, fragilem Gesang und nachdenklichen Texten. Obwohl die Kritiken eher mäßig ausfielen, setzte die Band ihre Linie fort und stiftete einfach noch mehr Verwirrung. Für das dritte Album "A Different Kind of Fix" setzten sie ihre Gitarren wieder ordentlich unter Strom und fügten Elektro-Sounds sowie herzhafte Balladen mit Sängerin Lucy Rose hinzu. NME gab dem Album das Label Dance-Rock, doch das bringt die Stimmung der Platte nicht ganz auf den Punkt. Die Melodie-Dichte von Tracks wie "How Can You Swallow So Much Sleep" und der Gute-Laune-Piano-Loop von "Shuffle" vereinen sich eher in einer gemeinsamen Gemütsverfassung statt einem spezifischem Genre: nachdenkliche Tagtraum-Stimmung, in die man nur allzu gern wegdriftet, wenn der Alltag fade wird.
Das aktuelle Album "So Long See You Tomorrow" ist zwar purer Electro-Pop, doch die Klangwelten der Tracks setzen die Tagträumereien vergangener LPs fort. Die techno-lastigen Beats von "Carry Me" und der orientalisch angehauchte Track "Feel" treiben die Liebe zum akustischen Detail fast bis zum Exzess. Manch einer mag da schon musikalische Reizüberflutung verspüren. Doch beim Auftritt im Kölner Luxor zog das Publikum trotzdem mit. Das Schlagzeug-Duett zwischen Frontmann Jack Steadman und Suren de Saram war sicherlich einer der besten Bühnen-Momente des Abends. Dabei brachten sie alte und neue Nummern gut zusammen, so unterschiedlich sie auch sind.
Mit "So Long See You Tomorrow" haben BBC es wieder mal geschafft, alle zu verwirren. Diesmal sind sie mit dieser Taktik auf Platz Eins in den UK Album-Charts gelandet. Es ist wohl der Bogen zwischen rockigen Mitsing-Nummern, aufgeladenen Balladen und dancigen Electro-Songs, die das aktuelle Album so beliebt machen. Da dürfte es der Band egal sein, dass so mancher Rezensent ihnen fehlende musikalische Identität zuschreibt. Spätestens mit der aktuellen Scheibe müsste auch der schärfste Kritiker verstanden haben, dass gerade der konsequente Genrebruch ein Teil von Bombay Bicycle Club ist - und genau das ist es, was diese Band so spannend macht. (bt)