Was soll man schon sagen, wenn man zum Geburtstag das Buch 111 Gründe Heavy Metal zu lieben überreicht bekommt? Ich habe mich für die klassische Antwort – danke! – entschieden und beschlossen, das maliziöse Grinsen des Schenkers fürs Erste zu ignorieren. Die Ursache dafür wollte ich zu einem späteren Zeitpunkt ergründen. Mit Lemmy auf dem ansonsten schwarzen Cover gab der Dreihundertseitenwälzer immerhin eine hübsche Abwechslung im Bücherregal.
Tage später mogelte sich das Werk des Musikers und Autors Frank Schäfer jedoch erst wieder in mein Bewusstsein und schließlich in meine Hände. Beim wahllosen Schmökern wanderten die Mundwinkel kontinuierlich nach oben: Grund 106 – Weil Metalheads die schönsten T-Shirt-Sprüche kennen wartet beispielsweise mit Perlen auf wie "Elfen haben doofe Ohren", "Klassische Musik für Höhlentrolle" oder, sehr charmant, "Bloodbath is my way of cleaning". Dem alleine wäre ja schon fast nichts hinzuzufügen, doch lohnt es sich auch, den Gründen mit mehr Text eine gewissen Aufmerksamkeit zu schenken. Da erfahren wir beispielsweise, dass Heavy Metal eigentlich alle gut finden (Grund 92), und man mit Heavy Metal zu Gott und Golf finden kann. Wie schön! Tröstlich ist die Tatsache, dass Heavy Metal intellektuell gut abgehangen ist (Grund 36), verstörend hingegen die kühne (aber durchaus schlüssig untermauerte!) Theorie, dass Heavy Metal manchmal auch komische Oper ist (Grund 73). Fast schon von alleine versteht es sich, dass sich dieser Punkt um die Scorpions dreht ... und um Chanel Nr. 5.
Frank Schäfer nähert sich der Materie mit dem nötigen Ernst (Weil harte Zeiten harte Musik verlangen – Grund 58), viel Ironie (Weil man die Texte durchaus auch überhören darf – Grund 75) und immer mit echter Leidenschaft für die Musik. Er weiß schließlich, wovon er spricht, denn als Rolling Stone-Kolumnist und Mitglied des Metal-Satire-Trios "READ EM ALL" kennt er sich aus in der Welt der Mattenträger. Und erfreulicherweise bringt er seine Erkenntnisse so pointiert aufs Papier, dass selbst Menschen, die im Alltag nicht als ausgesprochene Hardcore-Aficionados auffällig geworden sind, ihren Spaß haben. Und möglicherweise bekehrt werden. Hier drängt sich an dieser Stelle wieder die Eingangsfrage auf: Warum habe ausgerechnet ich dieses Buch geschenkt bekommen? Gibt es etwa Zweifel an meiner Linientreue?
Ich hatte und habe jedenfalls ein enormes Vergnügen an den 145 Gründen. Frank Schäfer hat uns 34 "Bonustracks" gegönnt – wohl hauptsächlich deshalb, damit der schmissige Titel der Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlagsserie "111 Gründe ..." nicht konterkariert wird. Das Buch ist die perfekte Nachttisch- oder, na gut, Klolektüre für echte Fans, verständnislose Lebenspartner und Mitarbeiter mit einer ungesunden Vorliebe für Blümchenpflücker-Mucke. Die Essenz fasst Schäfer schön in Grund 71 zusammen: "Weil Heavy Metal keine Wünsche offen lässt – Vor Jahren erreichte mich eine Newsmail von Metal Blade Records, die ich aufgehoben habe. In der Betreffzeile folgender Aphorismus: 'VOMITORY finish Terrorize Brutalize Sodomize'. Mehr kann man nicht wollen." Genau, Herr Schäfer, mehr kann man nicht wollen. Also: Kaufen, lesen, lachen, headbangen! (cm)