30 Jahre Die Ärzte, 30 Jahre "Die Beste Band der Welt". Die aktuelle Tour "Das Ende ist noch nicht vorbei" ist kaum zu Ende gegangen, da beginnt schon wieder die nächste: "Das Comeback-Tour" im Oktober. Unsere Reporterin Corinna Würzberger war bei einem der legendären Liveauftritte dabei und wirft zudem einen Blick zurück.
In der ausverkauften Festhalle geht es heiß her: Bei gefühlt 50 Grad triefen Band und Zuschauer vor Schweiß und die Stimmung ist am Überkochen. Selbst die Teilzeitfans, wie ich einer bin, werden von der allgemeinen Euphorie angesteckt. Wir scheinen auch die Mehrheit zu sein, denn die Klassiker werden erheblich ausgelassener zelebriert als die neuen Titel vom aktuellen, zwölften Studioalbum.
Die Ärzte gründeten sich 1982 in Berlin, damals bestand die Band noch aus Bela B., Farin Urlaub und Sahni. Nach ersten Erfolgen (Sieg beim Rockwettbewerb des Berliner Senats, Plattenvertrag, die Alben "Debil" und "Im Schatten der Ärzte") kam es jedoch zu Differenzen, was die Trennung vom Bassisten Sahne zur Folge hatte, und die Indizierung mehrerer Songs. Natürlich bedeutete vor allem letzteres erhebliche finanzielle Einbußen und erschwerte Arbeitsbedingungen. Auch die Strafverfahren, weil sie gegen die Indizierung verstoßen hatten, waren nicht hilfreich. So kam es 1988 zur offiziellen Trennung der Band.
Zurück in 2012 merke ich schnell: Die Ärzte sind nach wie vor eine echte und grandiose Liveband, die gerne improvisiert und auch noch ein komplettes Comedyprogramm mitliefert. Bewusster als auf anderen Konzerten verfolge ich gebannt und staunend, was die drei dort auf der Bühne spontan entwickeln, wie sie sich selbst und andere gekonnt auf den Arm nehmen und mit dem Publikum interagieren, als seien es alte Freunde – und vor allem, welchen unglaublichen Spaß sie dabei selbst noch nach 30 Jahren haben.
Grundlage all dessen war die Neugründung 1993 mit Rodrigo González am Bass. Es folgten jede Menge experimentierfreudiger Alben und Tourneen, die Die Ärzte bis nach Moskau, Japan und Argentinien führten. 1996 spielten sie als Vorband für KISS, und 1997 wurde das Doppelalbum "Götterdämmerung" veröffentlicht, auf dem verschiedene Künstler 34 Ärzte-Songs coverten. Musikalisch und teilweise wegen ihrer Optik werden die Berliner oft dem Punkrock zugeordnet, obwohl sie mit der Szene selbst kaum noch etwas verbindet und nur die beiden nicht frei verkäuflichen Alben "1, 2, 3, 4 - Bullenstaat" (1994) und "5, 6, 7, 8 - Bullenstaat" (2001) als reine Punkalben betrachtet werden können. Für eine Punkband sind die Texte oft zu unpolitisch, auch wenn ihre linke antifaschistische Richtung deutlich wird und sie dem Zuhörer gerne auf gewollt alberne, (selbst)ironische und sarkastische Art und Weise den Spiegel vorhalten.
Die Ärzte - das bedeutet auch ein Lebensgefühl. Viele ihrer Fans stehen schon seit Jahren treu hinter der Band, gerade weil Bela B., Farin Urlaub und Rod sich selbst treu geblieben sind und einfach ihr Ding durchziehen. Über manche der Texte gerade aus der Anfangszeit kann man sicherlich streiten, aber man kann nicht leugnen, dass diese drei Männer grandiose und sehr kreative Musiker sind, die den deutschsprachigen Rock der letzten 30 Jahre entscheidend geprägt haben.
Nach drei Zugabenblocks und fast zweistündigem Auftritt in "der größten Sauna der Welt" (Bela B.) geht ein Abend zu Ende, der musikalisch einen Rundumschlag der Bandgeschichte darstellt. Leider ohne "Westerland", aber bei solch einer Auswahl muss eben auch mal ein Klassiker dran glauben. (cw)