Die alte Leier: Weibliche Töne gelten im Rock oft nur als Lachnummer, und Frauenbands werden häufig nicht einmal ernstgenommen. Unsere Reporterin Corinna Würzberger ging dem Rock-Chauvinismus auf den Grund und fand Widersprüchliches.
Gut, ich oute mich: Ich bin der Meinung, Rock und Frauenstimme, das passt. Wie ich aber allzu oft feststellen muss, stehe ich mit dieser Ansicht ziemlich allein auf weiter Flur – und nicht einmal von meinen Geschlechtsgenossinnen kommt Unterstützung. Da belächelt man solche Bands als "Mädchenrock", eine Frauenstimme klinge "automatisch nach Popmusik und zu soft", überhaupt sei "Rock grob, Frauen aber nicht" und deshalb "gehören die da nicht hin." Und wie gesagt, diese Machosprüche kommen nicht nur von Männern. Es wirke "unnatürlich" und "unattraktiv". Also wollte ich es genau wissen, habe mich bei Rockfans umgehört und nach überzeugenden Gegenbeispielen gefahndet.
Mit kupferroter, wilder Mähne und der weißen Gitarre in der Hand schreit Lizzy Hale ins Mikro, und die begeisterten Fans vor der kleinen Clubstage des diesjährigen Rock am Ring jubeln ausgelassen. Mit ihrer Powerstimme und Ausdrucksfähigkeit nimmt sie die ganze Bühne ein. Die überwiegend schnelleren Songs laden zum Springen, Pogen und Mitgrölen ein, die Balladen haben Gänsehautfaktor. Ganz klar, diese Frau ROCKT! Und die Leute um mich herum kämen im Traum nicht auf die Idee, Halestorm als etwas anderes zu bezeichnen denn als lupenreine Rockcombo.
Die überwiegende Antwort auf meine Frage, was man denn grundsätzlich von Frontsängerinnen im Rock halte, fällt allerdings eher schlecht aus: An der Spitze steht "meistens nichts", dicht gefolgt von „ist mir egal" und "kommt drauf an“. Interessant ist dann aber, dass fast alle trotzdem Bands mit Sängerinnen hören. Am häufigsten wurden dabei Guano Apes, Walls of Jericho, Evanescence, The Subways und Jennifer Rostock genannt. Und wenn diese Bands gehört werden, dann wird nicht bewusst zwischen weiblicher oder männlicher Frontbesetzung unterschieden. Plötzlich spielt es keine Rolle mehr.
In der Szene selbst stellt sich diese Frage scheinbar auch nicht. Da spielen Bands wie die italienische Metalband Lacuna Coil als Support für All that Remains oder Disturbed, und Sängerin Cristina Scabbia nahm 2007 zusammen mit Megadeth den Song "À tout le monde" neu auf. Die Italiener und Walls of Jericho waren zudem auf dem Wacken Open Air 2009 vertreten.
Gerade Frontfrau Candace Kucsulain von Walls of Jericho und Mercedes Lander von Kittie sind die personifizierten Beweise dafür, dass Frauen sich nicht niedlich und sanft anhören müssen. Sie growlen und screamen, dass man zweimal hinhören muss, um zu erkennen, dass es sich dabei um eine Frau handelt. Sie stehen in dieser Hinsicht ihren männlichen Kollegen also in nichts nach.
Die Stimmen der Frontsängerinnen Sharon Janny den Adel (Within Temptation) und Amy Lee (Evanescence) stehen wiederum für eine sehr feminine, klassische Gesangsrichtung. Bei ihren Sopranstimmen könnte man den Vorwurf, dass es zu weich klinge, noch am ehesten nachvollziehen. Doch die musikalische Begleitung ist überwiegend geprägt von harten Gitarren und den verschiedenen Stilrichtungen des Metal zuzuordnen – und somit eindeutig Rock. Gerade das Spiel mit diesem Kontrast aus glasklarer Stimme und harten Gitarrenriffs machen den Reiz dieser Stilrichtung aus.
Prozentual gesehen gibt es weniger Bands mit weiblichen Besetzungen, und allein deshalb schon sind solche Bands natürlich weniger prominent vertreten. Doch man kann auch nicht leugnen, dass – zumindest in den Köpfen mancher Fans – Rockmusik eine immer noch stark von Männern dominierte und geprägte Welt ist und gefälligst zu bleiben hat. Frauen werden gerne gesehen, erst recht, wenn sie gut aussehen. So direkt darauf angesprochen passt eine singende, growlende Frau aber erst einmal nicht ins Bild. In Wahrheit wird auf der musikalischen Ebene aber kaum bis gar kein Unterschied gemacht. Wenn die Musik gefällt, dann wird sie gehört, egal ob das Evanescence oder Walls of Jericho ist. Dann stellt sich auch nicht die Frage, ob das nun (noch) Rock oder Metal ist, ob es zu sanft oder zu hart klingt. Es ist und bleibt eben alles Geschmackssache, dem einen gefällt's, der anderen nicht. (cw)