Ob Toten Hosen, Silbermond, Revolverheld, Böhse Onkelz, Rammstein, Sportfreunde Stiller und, und, und. Deutsche Texte sind aus der facettenreichen Musikwelt nicht mehr wegzudenken und haben sich längst auch in der wilden Rocksparte etabliert. Vor fünfzig Jahren sah das alles aber noch ganz anders aus: Wer in den 60ern etwas auf sich hielt und Rock spielte, der sang auf Englisch. Deutsch war die Sprache der Schlagersänger. Lena Genthner hat sich auf Spurensuche begeben und die Pioniere des Deutschrocks gesucht.
Die Beatles, Rolling Stones, The Who, Pink Floyd, Bruce Springsteen. All die Großen des Rockolymp sangen auf Englisch. Auch in Deutschland. Doch 1969 kam der Wandel, der viele Künstler motivierte, der deutschen Sprache eine Chance zu geben. In diesem Jahr gründen nämlich Muck Groh, Sonny Hennig, Georg Meyer, Ernst Schultz, Tommi Roeder und Olders Frenzel in Nürnberg die Band mit dem ungewöhnlichen Namen Ihre Kinder und sangen ausschließlich auf Deutsch! Sie wurden bekannt für ihre intelligenten, engagierten Texte, in denen sie sich mit den Problemen und Veränderungen ihrer Umgebung auseinandersetzen. Sie übernahmen eine Vorbildfunktion, der sich nach eigenen Aussagen selbst Udo Lindenberg nicht entziehen konnte. Politische und gesellschaftliche Themen, die nicht nur sie beschäftigen, sondern die ganze Welt: Es ging um Akzeptanz, Apartheid, Kriegsopfer.
Sie waren Teil der Revolution, sie wollten den Umbruch, wie viele junge Menschen in diesen Tagen auch. Und ihre höchste Priorität war es, von den deutschen Fans verstanden zu werden. Daher beschlossen sie, als erste deutsche Rockband, sich der eigenen Muttersprache zu bedienen und ausschließlich deutsche Texte zu verfassen. Doch für die Pioniere war der Weg zum Erfolg kein Spaziergang, denn anfangs fehlte es den großen Plattenfirmen an Mut und Akzeptanz, dieses Wagnis einzugehen. Schließlich produzierten sie ihr erstes Album, unterstützt durch Jonas Porst, selbst – und floppten.
1970 dann die Rettung: Die neu gegründete Münchner Plattenfirma Kuckuck erkannte das Potenzial der Band, nahm sie unter Vertrag und produzierte mit ihnen das Album "Leere Hände". Unter diesem Label erschienen dann drei weitere Platten: "004", "Werdohl" und "Anfang ohne Ende", bis sich die Band 1973 schließlich auflöste. Zwischen 1982 und 1984 fanden sie sich in Originalbesetzung noch einmal zusammen und daraus gingen die LPs "live '82" und "Heute" hervor. Weitere Versuche, mit wechselnden Musikern noch einmal an den früheren Erfolg anzuknüpfen, scheiterten jedoch. 2000 kamen sie noch einmal zu einem Konzert mit allen bisherigen Mitgliedern der Band in Nürnberg zusammen
Für die 69er- Generation sind ihre Texte noch heute wichtige Statements zur damaligen Zeit und für uns plakative Zeugnisse, die politische und gesellschaftliche Situation vor fünfzig Jahren zu verstehen. Doch das alles ist nichts im Vergleich zu ihrer Stellung in der Musikentwicklung. Durch ihren Mut, an ihrer Muttersprache festzuhalten, machten sie Deutsch salonfähig für die Rockmusik! Heute ist es den meisten nicht bewusst, dass einer den Anfang machen musste und dieser Anfang nicht leicht war. Ihre Kinder haben es gewagt: Sie vertraten klar ihren Standpunkt zum Geschehen ihrer Zeit und ließen alle daran teilhaben – denn man konnte sie verstehen. (lg)