Während in Amerika Jimi Hendrix, Blue Öyster Cult und The Doors berühmt wurden, in England Black Sabbath, Deep Purple und Led Zeppelin ihre ersten Ausflüge in den Psychedelic und Hard Rock unternahmen, in Deutschland der Krautrock durch Bands wie Amon Düül, Can und Ash Ra Tempel entstand, geschah in Japan... Ja, was war eigentlich in Japan? Daniel Kirschey hat es herausgefunden:
Auch in Japan entstand Ende der 60er und Anfang der 70er eine Psychedelic/Hard Rock Szene. Und es gab sogar einen japanischen Jimi Hendrix – zumindest wurde Shinki Chen als solcher bezeichnet. Der begnadete Gitarrist spielte in verschiedenen Bands, deren Repertoire aus Songs von The Yardbirds, The Kinks und ähnlichem bestand. Durch sein virtuoses Spiel rissen sich Mitte der 60iger zahlreiche Musiker um ihn. So wurde ihm angeboten, in einer Super-Group zu spielen, in der auch der Sänger Joe Yamanaka der Flower Travellin' Band singen sollte. Doch Shinki Chen trampte lieber durch Japan und nahm das Angebot nicht an. Erst als Polydor-Manager Ikuzo Orita ihn ins Boot holen wollte und keine Bedingungen stellte, unterschrieb er einen Vertrag. Shinki soll zu diesem Anlass gesagt haben: "Let's form a loose aggregation of similarly minded virtuoso rock'n'rollers, Mr. Ikuzo."
Gesagt, getan: Die Band Foodbrain gründete sich 1970, brachte ein Album "A Social Gathering" heraus und ... löste sich wieder auf. Im Anschluss nahm Shinki Chen eine Solo-Platte namens "Shinki Chen & his Friends" auf. Auf beiden Alben ist sehr psychedelischer Rock zu hören, doch von seiner Virtuosität war nicht mehr viel zu spüren. Shinki Chen war, wie es Julian Cope ausdrückt, "a child of Yokohama City, a place where making an effort was considered uncool to the point of outright gaucheness."
Ende 1970 wechselte Ikuzo Orita zum Label Atlantic und nahm die Flower Travellin' Band mit, die 1968 vom Produzenten Yuya Uchida gegründet wurde. Der wollte einen ähnlichen Sound fabrizieren wie Jimi Hendrix und Cream, deren Musik er in England durch John Lennon kennengelernt hatte. So entstand das Debüt "Anywhere" mit Cover-Songs von Black Sabbath, King Crimson und Muddy Waters. Doch mit dem Budget von Atlantic im Rücken und einem durch Touren gestärkten Selbstbewusstsein entstand anschließend ein Album mit eigenen Songs namens "Satori". Hideki Ishimas Gitarrenspiel stand dabei in seiner Virtuosität der Shinki Chens in nichts nach, war jedoch um einiges schwerer und gleichzeitig von fernöstlicher Melodik beeinflusst. Joe Yamanakas Gesang ist sehr hoch, eigen und wird oft mit den Schreien einer Banshee verglichen. "Satori" avancierte im Laufe der Zeit in den Augen vieler Kritiker zur besten Acid/Psychedelic-Rock-Platte aus Japan. Später erfand Hideki Ishima übrigens die Sitarla; ein Instrument, das eine Mischung aus Sitar und elektrischer Gitarre ist.
Mit der Flower Travellin' Band im Portfolio für Atlantic schaute sich Ikuzo Orita nach einer zweiten Gruppe für das Heavy-Segment des Labels um. Überraschenderweise rief zu diesem Zeitpunkt Shinki Chen an und erzählte, dass er einen philippinischen Drummer namens Joseph "Pepe" Smith kennengelernt habe. Zusammen mit dem Bassisten Masayoshi Kabe, der auch schon in Foodbrain gespielt hatte, hätten sie eine Band gegründet. Ikuzo Orita nahm die neue Band von Shinki Chen sofort auf. Sie nannte sich Speed, Glue & Shinki. Inspiriert wurde der Name von der Drogenvorliebe der Mitglieder... und so drehten sich die Lieder, die vorwiegend Pepe Smith schrieb, hauptsächlich um Speed und andere Drogen – und den daraus resultierenden Erlebnissen. Die erste Platte "Eve" ist ein wilder Mix aus Psychedelic-, Hard-, Garage- und Blues-Rock und verhalf der Band und Shinki Chen zu neuem Ansehen. Doch kamen die Bandmitglieder nicht wirklich miteinander aus. Bereits das zweite Album – eine Mischung aus wenigen neuen und einigen älteren Songs – scheiterte kommerziell; die Band brach auseinander. Pepe Smith zog wieder nach Manila und gründete die Juan de la Cruz Band mit der er in der Pinoy Rock Szene berühmt wurde. Shinki Chen versuchte mit der Band Orange nochmals, seinem Ruf als japanischer Jimi Hendrix gerecht zu werden, was jedoch scheiterte. Er zog sich komplett aus der Musikszene zurück.
Die Alben von Speed, Glue & Shinki und der Flower Travellin' Band, die Anfang der 70er entstanden, gelten noch heute als einige der besten Rock-Platten aus Japan. Dass es neben diesen beiden Bands noch einige mehr in der japanischen Szene gab und diese ebenfalls sehr gute Alben aufnahmen, ist – für alle Interessierten – in dem Buch "Japrocksampler – How The Post-War Japanese Blew Their Minds On Rock'N'Roll" von Julian Cope nachzulesen. (dk)