Aus dem Schatten anderer kann man heraustreten, aus seinem eigenen nicht. Genau diese Erfahrung machen die Pixies gerade mit ihrem neuen Album. Bettina Taylor hat sich das umstrittene Material der legendären Alternativ-Band aus einer Retro-Perspektive angehört.
Kennern braucht man eigentlich nicht zu erklären, wer die Pixies sind. Auch wenn ihre Hochphase in den Tiefen der 80er-Jahre liegt, wirkt ihr musikalischer Einfluss immer noch nach. Zwischen 1988 und 1989 wurden Black Francis (Gesang, Gitarre), Joey Santiago (Gitarre), Kim Deal (Bass) und David Lovering (Schlagzeug) aus Boston, USA mit den Alben Surfer Rosa und Doolittle zur einflussreichsten Band ihrer Generation.
Jetzt dürfen sich Pixies-Fans nach zwölf Jahren endlich wieder auf neue Songs freuen. Doch von den bisher bekannten Stücken des 13-Track-Albums Indie Cindy, das am 28. April Europas Plattenläden erreicht, sind viele Kritiker und Fans enttäuscht, manche geradezu empört. Um sie zu verstehen, muss man ein wenig in der Rock-Geschichte zurückgehen...
Nirvana, U2, The Strokes, Weezer und David Bowie – für all diese Rockgrößen sind und waren die Pixies ein prägendes Vorbild. Spätestens nach fünf Minuten Google-Recherche, findet man heraus, dass Kurt Cobains "Teen Spirit" ein Versuch war, die Pixies zu imitieren. Ironischerweise war ihr kommerzieller Erfolg Anfang der 90er mäßig. Doch vielleicht zollen ihnen gerade deshalb so viele Künstler Respekt. Schließlich geht ihr Erbe weit über Plattenverkäufe hinaus. Denn was damals der typische Pixies-Sound war, ist heute so etwas, wie ein Standard im Alternativ-Rock. Der plötzliche Wechsel von laut zu leise, gepaart mit Black Francis Geschrei-Gesang und Kim Deals sanfter Stimme sind das, was "Monkeys Gone To Heaven" oder "Gigantic" auszeichnen. Innerhalb eines Zwei-Minuten-Songs konnten sie Melodie und Dissonanz zusammenbringen – eine Bomben-Dynamik, die der Rockstar-Nachwuchs damals für sich neu interpretierte.
Im Jahr 2014 sind extreme Tempowechsel und akustische Ambivalenz nach wie vor spannend, jedoch nichts mehr bahnbrechend Neues. Doch auch ohne dass die Welt sich an diesen Sound gewöhnt hat, haben die Pixies bei ihrem Comeback einen holprigen Start hingelegt. Anfang 2013 stieg zunächst Bassistin Kim Deal aus. Kim Shattuck nahm darauf ihren Platz ein. Die "neue Kim" wurde den Ansprüchen jedoch offenbar nicht gerecht. Im November 2013 feuerte man sie per Telefon. Jetzt nimmt Paz Lenchantin vorläufig ihren Platz ein – so viel zur Personalsituation. Doch was enttäuscht Fans und Kritiker an neuen Songs wie "Greens and Blues", "Snakes" oder "Andro Queen"? Das Online-Magazin Pitchfork schrieb jüngst, es seien "keine Pixies mehr in diesen Pixies". Auch das Rolling Stones-Magazin ließ kein gutes Haar an ihnen. Was die alten Hits an Charme, Witz und Ironie auszeichnet, sei durch banale Akkordfolgen und langweilige Texte ersetzt worden. Die treue Fangemeinschaft hatte wohl mehr erwartet, nachdem die Band jahrelang mit alten Songs durch die Welt getourt war. Doch völlig berechtigt ist die harte Kritik nicht. Bei "Bagboy" findet sich sowohl im Song, als auch im Musikvideo Ambivalenz,Wahnsinn und Heiterkeit wieder. Dennoch erlebt man hier nur eine abgeschwächte Form der unvergleichlichen Dynamik, als ob die Pixies müde geworden seien.
Die Pixies können zwar nichts dafür, dass der Mainstream ihren Sound vereinnahmt hat, doch um Kritiker und Fans zu beeindrucken, müssen sie etwas kreieren, das auch für die heutige Zeit neu ist. So werden sie zwar nicht aus ihrem eigenen Schatten heraustreten, aber vielleicht über ihn hinwegspringen können. (bt)