In den 90er-Jahren hatte Rockmusik ihre depressive Generation-X-Phase. Mit der Jahrtausendwende kam Indie mit seinen digitalen Synthie-Melodien und munterte die launischen Alternative-Rocker wieder auf. Da scheint es geradezu innovativ, dass Honeyblood in ihrem Debüt auf elektrisches Gute-Laune-Getue verzichten und die seltsam positive Energie dieser melancholischen Rock-Ära aufleben lassen. Bettina Taylor hat in die Platte reingehört.
Honeybloods Geschichte beginnt, wie die so vieler Bands, mit einem DIY-Klischee: Im Jahre 2012 nahmen Stina Tweeddale (Gesang, Gitarre) und Shona McVicar (Schlagzeug) ihr erstes Demo-Tape "Thrift Shop" mit nur einem Mikrofon ausgestattet in ihrer Küche auf, um es mit einem spontanen Gig beim heimischen Glasgower Friseur-Salon zu promoten. Doch ihr Mut zum Amateurhaften wurde belohnt. Schnell starteten sie in der lokalen Szene durch und machten sich mit zahlreichen Auftritten einen Namen. Bevor sie sich versahen spielten Honeyblood Mitte 2014 schon auf Festivals wie Brighton’s Great Escape, tourten mit Real Estate durch die USA oder eroberten mit ihren Landsleuten Frightened Rabbit Konzerthallen jenseits von Schottland. Dass nun im Juli 2014 schließlich ihr gleichnamiges Debüt-Album beim Brightoner Label FatCat-Records erschienen ist, lässt sich fast schon als logische Schlussfolgerung ihres Erfolgskurses betrachten. Mit Peter Katis haben sie zudem einen Produzenten an Bord, der schon Interpol oder The National zum richtigen Sound verholfen hat.
Trotz dem steilen Erfolgskurs ist Honeybloods Debüt musikalisch betrachtet nichts Neues. Das Gefühl, das sie mit ihrer Musik vermitteln ist aber zeitlos. In den 90er-Jahren lieferten schon Alternative-Ikonen wie Mazzy Star oder die Dum Dum Girls mit bittersüßen Melodien und kraftvollen Rhythmen akustischen Balsam für melancholische Aufbruch- und Traurigkeits-Neurosen. Der Opener "Fall Forever" leitet mit energisch-klarem Krach ein. Dabei sind Honeyblood mit Schlagzeug, Gitarre und Gesang gerade einmal in der Minimal-Besetzung einer Rockband unterwegs. "Killer Bangs" reißt anschließend punkig und verspielt aus Tagträumereien, um von einer frustrierten Liebe zu singen, die trotz allem etwas Aufbauendes zu haben scheint.
Das Juwel der Platte ist aber das wütende "Super Rat". Hier erzeugen Tweeddales heller Gesang und die zerbrechliche Gitarrenmelodie eine faszinierende Gegensätzlichkeit zu den zynischen Lyrics, die schließlich in der hymnenhaften Refrain-Zeile "I will hate you forever" ihren paradoxen Höhepunkt hat. Überhaupt durchziehen krankhafte Liebschaften, die von Frust, Hass und Leidenschaft geprägt sind, die lyrische Thematik des Albums. Weniger hasserfüllt, aber mit unheimlichem Storytelling-Charakter geht es in "Choker" ebenfalls um destruktive Faszinationen. Inspiration für den Track lieferte die Kurzgeschichte "The Bloody Chamber", die die britische Schriftstellerin Angela Carter in den 70er-Jahren schrieb. Allerdings sind "Choker" und "Super Rat" die einzigen Tracks, die wirklich nach vorne gehen. Spätestens gegen Album-Mitte haben sich die einfachen Songstrukturen ausgeschöpft, sodass der Übergang von "Anywhere But Here" zu "Biro" leicht zu überhören ist.
Wie der Bandname schon andeutet, zeichnen sich Honeyblood durch ihren melodischen Wahnsinn aus, der sich je nach Lied und Gefühlslage der Hörer in schizophrener Manier zwischen Traurigkeit und Wut bewegt. Trotz aller emotionalen Hochs und Tiefs kann das Album auf musikalischer Ebene jedoch leider langweilig werden. Da derartige Gefühlsduseleien aber ebenfalls nicht lange währen, muss dies nicht unbedingt ein Minuspunkt sein. Schließlich haben andere Bands damit die Stimmung eines ganzen Jahrzehnts geprägt. Wir dürfen gespannt sein, auf welche emotionalen Achterbahnfahrten Honeyblood uns noch mitnehmen werden. (bt)
Weitere Appetit-Häppchen von Honeyblood gibt es auf Soundcloud.