Seien wir mal ehrlich, hat wirklich irgendjemand ernsthaft daran gedacht, dass die coolste Sau (und letzter Mann) im Teilnehmerfeld von Stefan Raabs "Unser Star für Oslo" vorzeitig heimfahren muss? Christian Durstewitz, der kesse Hesse mit der großen Gitarre, der löchrigen Hose, der großartigen Rockstar-Attitüde (samt passender Stimme) und dem Charme eines knuddeligen Cocker Spaniel-Welpen. In allen Shows hat er entweder seine (wirklich guten) eigenen Songs performt oder Recken wie Mando Diao alt aussehen lassen. Es ist traurig, aber es ist passiert. Wie kam es dazu?
Chronik einer Niederlage: Dursti musste im Halbfinale als Erster ran und lieferte mit Jason Mraz' "I'm Yours" eine gewohnt souveräne Leistung ab. Das Publikum tobte, die Jury freute sich, und Christian konnte erst einmal durchatmen. Es folgte der Auftritt von Kerstin Freking. Der blonde Riesenengel aus Osnabrück wusch seine Hände in Unschuld ("Hands Clean" von Alanis Morissette), wie immer mit glasklarer Stimme, aber deutlich weniger Verve als im Viertelfinale. Dort hatte sie mit ihrer zweiten Nummer "Somedays" von Regina Spektor einen echten Knaller abgeliefert. Eine Vorentscheidung? Nummer 3 im Rennen war Lena Meyer-Landrut, und die schlug zum ersten Mal ganz andere Töne an. Auch sie stöberte bei Jason Mraz und rührte mit der Ballade "Mr. Curiosity" nicht nur die Herzen der Jury. Ganz klar, sie war sicher durch. Fehlte noch die Vierte im Bunde. Jennifer Braun, das niedliche Girlie aus dem Rheingau mit der wuchtigen Rockröhre. Konnte sie mithalten? Sie konnte: Mit dem Gossip-Kracher "Heavy Cross" lieferte sie ihre bisher beste Performance überhaupt. Trommelwirbel, Werbepause, zum Bersten gespannte Nerven – die erste Entscheidung: Kerstin war raus!
Schock und Erleichterung bei den anderen Kandidaten, aber nur Augenblicke Zeit für Christian, diese Gefühlswallung in den Griff zu kriegen. Er musste sofort mit der nächsten Nummer ran. Ohne Gitarre diesmal, dafür mit Mundharmonika und vielleicht nicht ganz so enthusiastisch wie sonst, gab er sich mit Charlie Winstons "In Your Hands" ganz in die Hände des Publikums. Sein angespannter Gesichtsausdruck danach sprach Bände, da ging jemandem der Arsch mächtig auf Grundeis. Nicht einmal die begeisterte Jury konnte für nachhaltige Erleichterung sorgen. Lena gab sich keine Blöße und schnurrte die "Lovecats" von The Cure so lässig ins Mikro als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Miau! Und Jennifer zeigte ihre verletzliche Seite mit Christina Aguileras "Hurt", was – erstaunlich genug – vor allem Rapper Jan Delay zu Begeisterungsstürmen hinriss. Es sollte eng werden. Sehr eng! Während die beiden Mädels cool in die Kameras grimassierten, kämpfte Christian Durstewitz sichtbar gegen seine nackte Panik.
Sage noch einer, es gäbe keine Vorahnung! Deutschland wird beim Eurovision Song Contest in Oslo von einer 18-jährigen vertreten. Lena und Jennifer stehen im Finale – und Christian bestimmt vor einer großen Zukunft. Rock the world, Dursti! Und Kopf hoch!