Dass man bei Computerspielen von mehr oder weniger gelungenem synthetischen Gedudel begleitet wird, ist nichts Besonderes. Es gibt aber ein paar Spiele, bei denen man eigene Musikdateien ins Spiel laden kann und zwar nicht einfach als akustische Untermalung, wie z.B. bei manchen der "Need for Speed"-Reihe, sondern als echte Basis des Spielgeschehens. Glaubt man den Entwicklern, so analysieren die Spiele die ausgewählten Songs gründlich und bauen daraus einen eigenen, speziellen Level.
Getestet wurden:
Alles PC-Spiele, die nicht viel kosten, auch auf älteren Rechnern und Notebooks laufen und von kleinen, unabhängigen Entwicklern geschaffen wurden. Von jedem gibt es auch eine Demoversion zum Testen.
Um zu sehen, ob unterschiedliche Musik denn auch wirklich das Spielgeschehen beeinflusst, haben wir vier ganz verschiedene Songs ausgewählt. Als Klassiker der Rockgitarre Jimi Hendrix’ Version von All along the watchtower, Electroclash von Peaches mit Talk to me, harmlosen Pop von Lena mit Touch a new day und raffinierte Klassik mit Bachs Cello Suite Nr. 1, Prèlude.
1) Audiosurf
Audiosurf baut aus jedem Song eine Rennstrecke. Ein Spiel dauert exakt so lange wie das Lied (das gilt auch für alle folgenden Spiele). Beats werden zu Bodenwellen, Rhythmus und Komplexität der Musik beeinflussen die Verteilung von farbigen Steinen auf der Strecke, die man mit einem am besten per Maus zu steuerndem Vehikel einsammelt, aber nicht beliebig sondern eher wie bei Tetris in gleichfarbigen Clustern, für die es Punkte gibt. Eine Unzahl an Gefährten mit unterschiedlichen Fähigkeiten, mehrere Spielmodi, diverse Schwierigkeitsgrade und eine hübsche Neongrafik können nicht wirklich darüber hinwegtäuschen, dass man hier hauptsächlich die Maus von rechts nach links und wieder zurück schubst. Trotzdem hat das Spiel Suchtpotential, zumal im Internet Statistiken zu jedem Song gesammelt werden und man so bewundernd feststellen kann, dass andere zu All along the watchtower 10x so viele Punkte sammeln konnten, wie der Autor. Auf jeden Fall waren Spielunterschiede mit den verschiedenen Stücken deutlich erkennbar; Hendrix sorgte für Dauerstress, wohingegen sich bei Bach schon ein Gefühl von beruhigender Meditation einstellte. Es zeigte sich aber, dass Songs, die Amplitude, Dichte und Rhythmus deutlich variieren, auch für mehr Abwechslung sorgen.
Rocktauglichkeit: bedingt
Beste Ergebnisse: Peaches, Bach
Besonderheit: Spielgefühl durch Musikauswahl steuerbar
Subjektiver Spielspaß: 3/5
2) Beat Hazard
Beat Hazard ist ein Shoot’em’up-Spiel, das man sich vorstellen muss wie Asteroids auf Speed. Man fliegt durchs Weltall und wird für die Dauer des Songs von allen Seiten angegriffen. Klingt nicht sehr originell, aber die gelungene, detailreiche Grafik und die vom Beat gesteuerten Lichteffekte erfreuen das Auge. Am besten spielt es sich mit einem Controller. Auch hier muss anerkannt werden, dass die Wahl der Musik das Spielgeschehen deutlich und vor allem pfiffig beeinflusst. Die Lautstärkekurve eines Songs bestimmt direkt die Feuerkraft der eigenen Waffen, wohingegen die Komplexität und Art des Klanggeschehens die Anzahl und Variation der Gegner steuert. Bei Hendrix sieht man sich also einem Ansturm immer stärkerer und größerer Gegner ausgesetzt, denen man aber auch ordentlich einheizen kann, wohingegen man bei Bach mit unzähligen wuseligen kleinen Feinden zu tun hat, denen man aber nur ein winziges Kanönchen mit minimaler Feuerkraft entgegenhalten kann. Gerade Songs, die einen kontinuierlichen Spannungsaufbau haben, verlangen einem alles ab, denn dann gibt es zum Ende hin auch Boss-Fights mit riesigen Raumschiffen – bei Bach und Lena gab es hingegen keine Endgegner. Der Autor hat weder die Songs von Hendrix noch Peaches überlebt, aber der Ehrgeiz "das Stück zu schaffen" wuchs und wurde nur durch das Limit der Demoversion gebremst.
Rocktauglichkeit: absolut
Beste Ergebnisse: Hendrix, Peaches (Bach extrem schwierig!)
Besonderheit: Coole Grafik, am besten mit Controller spielen
Subjektiver Spielspaß: 4-5/5
3) The Polynomial
Auch bei The Polynomial fliegt man durchs All – da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Was genau das Spiel aus der Musik generiert, ist leider nicht zu erkennen, aber es sieht teilweise ziemlich beeindruckend aus – wilde Farbnebel, helixartige Gebilde, fraktale Formen... Als Drogenersatz taugt es vielleicht, aber als Spiel? In der – zugegebenermaßen ziemlich befristeten – Zeit, die der Autor damit verbracht hat, war es ihm leider nicht möglich, herauszufinden, was man eigentlich machen kann oder soll. Im zugehörigen Forum wechseln sich ähnlich ratlose Anfragen mit begeisterten Statements ab, offenbar also eines von den Spielen, bei denen es Klick macht oder nicht. Unterschiede bei verschiedener Musik waren jedenfalls nicht erkennbar.
Rocktauglichkeit: vorhanden
Beste Ergebnisse: alle/keine
Besonderheit: faszinierende Grafik, völlig unverständliches Spielprinzip
Subjektiver Spielspaß: 1/5
4) Rhythm Zone
Wesentlich bodenständiger geht es da bei Rhythm Zone zu, das so etwas wie Guitar Hero für Arme ist. Das ausgewählte Musikstück wird auf Tonhöhen und -dauern analysiert, wobei die Noten vier Tongruppen zugeordnet und – ähnlich wie bei Audiosurf – farblich kodiert auf einer "Songstraße" angeordnet werden. Auf der Tastatur sind A, S, D und F jeweils einer Tonhöhe/Farbe zugewiesen und nun gilt es beim Abfahren der Strecke im richtigen Moment die richtige Taste zu drücken. Auch die Tonlänge wird berücksichtigt: zieht einer der Farbblöcke einen Schweif nach sich, so will der Ton/die Taste entsprechend lange gehalten werden. Aus dem Beat werden Lichteffekte im Hintergrund generiert. Klingt bieder, sieht auch ziemlich bieder aus, ist aber durchaus hypnotisch, zumal die verschiedenen Musikstücke hier auch wieder völlig verschiedene Ergebnisse und Spielgefühle produzierten. Bei geeigneter Musik kommt man in einen guten und irgendwie befriedigenden Groove, auch wenn man auf dem Äquivalent eines Kleinkinderklaviers spielt. All along the Watchtower hat die Fingerfertigkeit des Autors allerdings völlig überfordert, echte Gitarrenasse kommen da vielleicht eher mit.
Rocktauglichkeit: bedingt vorhanden
Beste Ergebnisse: Peaches, Bach
Besonderheit: vergleichsweise biedere Grafik, durchaus hypnotisch, ähnlich wie Guitar Hero aber mit freier Songwahl
Subjektiver Spielspaß: 3-4/5
5) Turba
Last und leider auch least noch Turba, das öde aussieht und letztlich nur eine der vielen Tetris-Variationen ist. Zum Beat der Musik tauchen neue bunte Steine auf, die man in gleichfarbigen Blöcken ab drei mit der Maus markieren und in Punkte umwandeln kann, bevor der vorhandene Platz aufgebraucht ist. Mehr Steine auf einmal bedeuten mehr Punkte. Natürlich kann man auch Blöcke rotieren und spiegeln und es gibt Sondersteine, die spezielle Aktionen ermöglichen oder erzwingen. Abgesehen von der Geschwindigkeit, in der neue Steine erscheinen, hat die Musik keinen Einfluss aufs Spiel. So lässt sich über die Songauswahl in erster Linie die Schwierigkeit und Spieldauer steuern: Peaches war unspielbar, innerhalb von Sekunden war der Bildschirm überfüllt, Lena hingegen bot hier die tauglichste Geschwindigkeit.
Rocktauglichkeit: vorhanden, rockt aber nicht
Beste Ergebnisse: Lena
Besonderheit: keine
Subjektiver Spielspaß: 1-2/5
Fazit
Die Idee der Musikanalyse ist origineller, als die Spiele, die daraus resultieren. (Wobei zumindest The Polynomial so originell war, dass der Autor es nicht begriffen hat!) Trotzdem kann man mit den meisten der vorgestellten Games eine Menge Spaß haben. Wer seine Lieblingssongs noch nicht satt hat und dazu mal eine runde "surfen" oder ballern will, oder vielleicht etwas über die tonale Verteilung lernen möchte, dem sind Audiosurf, Beat Hazard und Rhythm Zone angeraten. Wer weiß, vielleicht erfährt man dabei sogar etwas über das jeweilige Stück, das einem vorher gar nicht bewusst war (z.B. wie lange die 4 Minuten von All along the Watchtower sind, wenn man um sein Überleben kämpft).
Rückblickend muss eingestanden werden, dass Hendrix nicht die beste Wahl war; je abwechslungsreicher die Musik in Frequenzumfang, Struktur und Dichte, desto kurzweiliger war auch der resultierende „Level“. Peaches hat hier am besten abgeschnitten, aber es steht ja jedem frei seine eigene Songauswahl auszuprobieren und wir freuen uns, wenn Ihr uns Eure Eindrücke als Kommentar mitteilt! Wie gesagt, von allen 5 Spielen gibt es kostenlose Demoversionen, die Ihr auf den zugehörigen Internetseiten oder auch beim Spieledienst Steam findet.