Lernen heißt oft auch Leiden. Aber wer Gitarre spielen lernt, hat idealerweise einen Leidensgenossen: seinen Lehrer. In der letzten Ausgabe habt ihr erfahren, womit der Durchschnitts-Schüler täglich zu kämpfen hat. Jetzt ist die andere Seite am Zuge: Gitarrenlehrer Ronald Lärm zeigt auf seinem YouTube-Kanal als Jonny Pilatus, wie er mit "Schule der Rockgitarre" unterrichtet. Bettina Taylor konnte ihm im Gespräch den ein oder anderen Geheimtipp für euch entlocken:
Vom kleinsten Knirps bis zum Rentner, in Lärms Haus im thüringischen Sonneberg greift jeder mal in die Saiten. Besonders die süßen Kindervideos auf seinem Kanal beweisen, dass Lernen aber nicht zwangsläufig immer Leiden heißt. Seit über 14 Jahren nimmt er sich einmal in der Woche Zeit, um mit seinen Schülern zu rocken. Ganz gleich, ob die Kinder das "Löwenzahn-Lied" oder fetzige Akkorde auf der E-Gitarre zum Besten geben, sie lernen spielerisch – auch, wenn Gitarre und Schüler fast gleich groß sind.
Lärm selbst brauchte nur einen Anstoß, um richtig ins Rollen zu kommen. Mit Lehrmaterial aus DDR-Zeiten nahm er fünf Jahre lang Privatunterricht. Alles Weitere brachte er sich selbst bei. Später war sein Sohn der Anreiz, als Gitarren-Lehrer andere Menschen zum Musizieren zu motivieren. Denn die ein oder andere Motivations-Stütze ist in heiklen Übungsphasen nämlich selbst bei Naturtalenten gefragt. Hier beweist Lärm einen Riecher für Schüler-Bedürfnisse: Statt Leistungsdruck werden individuelle Stärken aufgebaut. "Man soll sich auch an dem erfreuen, was man sich erarbeitet hat. Weniger Stoff als Hausaufgabe aufzugeben, ist manchmal mehr, wenn das Ziel in angemessener Zeit erreicht wird", meint er. Jemand, der erst drei oder vier Akkorde beherrscht, dürfe diese also voll ausreizen und mit ausgedachten Rhythmen oder Akkordverschiebungen experimentieren. Manchmal fragt Lärm auch ganz gezielt: "Welche Songs wären mit bestehendem Material schon möglich?" Trotzdem findet er, dass Schüler ihre Möglichkeiten realistisch einschätzen sollten. Spieler, die dazu in der Lage sind, kennen das tägliche auf und ab: Es gibt Phasen, in denen man spieltechnisch schnell vorankommt, und dann quälen einen wieder Übungen, die erst nach wochenlanger Arbeit sitzen, erklärt er. Selbst Ronald Lärm hat also kein Wundermittel parat. "Letztendlich bleibt alles eine Sache des Fleißes, gepaart mit einer gewissen Hingabe und Liebe zum Instrument."
Um Schüler bei Laune zu halten, muss auch das Lehrmaterial stimmen. Lärm spielt auf seinem YouTube-Kanal, neben vielen Eigenkompositionen, auch zahlreiche Stücke aus Andreas Scheinhüttes "Schule der Rockgitarre". Diese Notenausgabe ist schon länger Bestandteil seines Unterrichts und wurde ihm von Bekannten empfohlen, die an Musikschulen unterrichten. "Persönlich finde ich Band 1 als Einstieg sehr gut und im Lehrstoff angemessen. Das Fehlen von Tabulaturen, die erst in Band 2 erscheinen, hat sogar einen gewissen Vorteil: Schüler lernen nach Noten und schielen nicht zu den darunter liegenden Tabs."
Phillip, ein zielstrebiger Schüler (und nebenbei auch TheRamones-Fan) zeigt mit "Alabama" oder "SeRVe Blues" auf Lärms YouTube-Seite, was Üben bringen kann. Sein Lehrer performt dort auch kleine Aufwärmübungen aus "Schule der Rockgitarre". Für Laien hört sie sich wohl eher wie ein Mörder-Solo an. Fragt sich nur, wie er und seine Schüler spielen, wenn sie einmal warm geworden sind...
Doch bevor sich solche Darbietungen lässig aus dem Ärmel schütteln, werden trockene Grundlagen gepaukt – für Schüler (und Lehrer) immer wieder eine Herausforderung. Auch Lärm muss geduldig bleiben, wenn er zum Beispiel Rhythmusgefühl oder das Erkennen von Notenwerten vermitteln will. Neben bewährten Methoden wie Klatschen und Auszählen, gibt er auch gerne Musikprogramme wie "Guitar Pro" mit nach Hause. Denn, wer seine Noten manuell ins Programm eingibt, bekommt mehr Gespür für die Tonwerte und könne das Tempo zusätzlich individuell abstimmen, erklärt er. Bei der Technik allerdings müsse man vor allem Einsicht zeigen, auch wenn es schwer fällt: "Ein falscher Fingersatz mag zwar zunächst bequem erscheinen, langfristig aber den Weg für einen bestimmten Schwierigkeitsgrad verbauen. Wer etwa den kleinen Finger der Greifhand in den Urlaub schicken will, hat nicht erst beim Sweeping Probleme." Bei dieser Anschlagstechnik beschränken E-Gitarristen die Bewegungen ihrer Anschlagshand auf das Nötigste. Sie ist aber nicht das einzige Problem. "Man denke nur an die unterschiedlichen Haltungen des Plektrums!" Es sind wohl Dinge, auf die er seine Schüler jeden Tag aufmerksam macht.
Sowohl für die Schüler- als auch die Lehrer-Seite bleibt beim Lernen eines Instrumentes wohl immer ein gewisses "Rest-Leiden". Doch wer beide Perspektiven genau betrachtet, weiß: Letztendlich verbindet sie nicht nur harte Arbeit, sondern, wie Lärm es formuliert, auch die Liebe und Hingabe zum Instrument. (bt)