Art. 1, § 1 RbewG(Rockmusikbewertungsgesetz): "Jeder erfolgreichen Band ist spätestens mit Erscheinen ihres dritten Studioalbums vorzuwerfen, sie sei dem kommerziellen Reiz des Geldes verfallen und produziere nur noch Pop-Musik." – Wenn es so etwas wie ein Rockgesetzbuch gäbe, würde sein erster Artikel vermutlich genau so lauten. Felix Klein hatte deshalb ernsthafte Befürchtungen, als er sich Tickets fürs Linkin Park-Konzert in Oberursel bei Frankfurt besorgte. Sein frommer Wunsch lautete: "Hoffentlich spielen sie nicht nur die Sachen vom neuen Album!"
Heute, nur wenige Tage nach jenem denkwürdigen Musikereignis, sitze ich hier und möchte mich vor lauter Scham und schlechtem Gewissen am liebsten unter meinem Schreibtisch verstecken. Am 19. Juni 2011 habe ich das geilste Konzert meines Lebens und die wahrscheinlich beste Band der Welt erlebt!
Die wirklich einzigartigen und unvergesslichen Konzerte sind meiner Erfahrung nach die, bei denen man sich nicht mehr an eigentlich unwichtige Einzelheiten wie die Outfits der Bandmitglieder oder die genaue Reihenfolge der gespielten Titel erinnert. Man denkt an den Abend zurück und kann die geballten Emotionen auch Monate später noch so intensiv fühlen, als hätte man das Konzertgelände erst vor zwei Stunden verlassen. Linkin Park auf dem Hessentag 2011 war genau das: ein absolutes Gänsehaut-Erlebnis. Die größtenteils recht aufwändig arrangierten Songs der sechs Jungs aus good old California büßten auch live nichts von ihrer Komplexität ein. Selbst als eingefleischter Fan hätte man schon ganz genau hinhören müssen, um einen Scratch oder Synthie-Effekt von der Platte zu vermissen. Aber bitte versteht mich nicht falsch! Weder die Songs der neueren Alben noch die alten Hits wie "In the End" oder "Numb" klangen dabei nach sterilem Konservenprodukt – da steckte einfach eine Menge harter Arbeit drin. Wer das Glück hatte, nahe genug an der Bühne und nicht hinter einem Dirkules-artigen Hünen mit Metal-Mähne zu stehen, dem konnte nicht verborgen bleiben, wie konzentriert jedes einzelne Bandmitglied da oben zu Werke ging. Eine derart perfekte und vielseitige musikalische Performance kann mit dem Prädikat "ganz besonders wertvoll" eigentlich immer noch nicht ausreichend gewürdigt werden. Sympathischerweise waren Linkin Park bei ihrer Bühnenshow ganz und gar nicht auf spektakuläre Elemente à la T-Shirt-vom-Leib-Reißen oder minutenlange Publikums-Sing-Alongs angewiesen. Auf ihre charakteristische introvertierte Art schafften es die Jungs, die in ihrer 15-jährigen Karriere immerhin bereits um die 70 Millionen Tonträger verkauft haben, die Massen allein mit ihrer Musik in den Bann zu ziehen. Unangefochtene Höhepunkte eines abwechslungsreichen Programms waren dabei natürlich die Linkin Park-Klassiker der etwas härteren Gangart von denen – zu meiner großen persönlichen Freude und Erleichterung – nur wenige ungespielt blieben. Doch auch die zuvor eher skeptisch beäugten aktuellen Hits wie "What I’ve Done" oder "New Divide" entfalteten live ein Stimmungspotential, das dem Radiohörer leider verborgen bleibt.
All jenen unter euch, die mir immer noch nicht glauben wollen, dass dieser Gig absolut jeden Cent und jede Warteminute im Regen wert waren: Zu euch spricht jemand, der bei der letzten Zugabe "One Step Closer" direkt am Pogo-Kreis stand. Er sagt: Linkin Park macht heiser, Linkin Park macht Beinmuskelkater und Linkin Park macht vor allem eines: geile Musik! (fk)