Wahre Kunst ist kompromisslos. So ist es auch bei guter Rockmusik. Wenn das eine Band erkannt hat, dann ist es Muse. In ihrer Heimat England, wo sich die Szene eher lässig gibt, sind sie mit ihren emotionalen Melodien Außenseiter. Doch gerade deswegen ist ihr Album "The Resistance" ein Herzstück britischer Rockmusik. Warum? Um das zu verstehen, muss man das englische Künstler-Wesen durchschauen. Bettina Taylor hat genau das versucht!
Erfolg auch ohne Kommerz-Kompromiss
Zunächst war es nicht Emotion, sondern pure Langeweile, die Mathew Bellamy, Dominic Howard und Christopher Wolstenholme 1994 zusammenbrachte. Laut Frontman Bellamy hatte man im öden Teignmouth die Wahl zwischen Drogen oder Musik. Zum Glück wählte er Letzteres. Der Sieg des Teignmouther Bandwettbewerb machte den Zeitvertreib dann unerwartet zur Lebensaufgabe: "Es sollte ein Protest werden. Wir zerschlugen alle Instrumente. Als wir dann gewannen, war das ein Schock!" Das Debüt "Showbiz" brachte vier Jahre später den Durchbruch. Auch das zweite Album "Origin of Symmetry" gewann selbst beim kritischen NME-Magazin Anerkennung.
Unvergleichlich ist die Band jedoch auf der Bühne. Denn die wahnsinnige Energie, die sie dort vermitteln, ist wie von einem anderen Stern. Die Plattenfirma stufte Bellamys Gesang allerdings als "nicht radiofreundlich" ein. Doch statt sich kreative Handschellen anlegen zu lassen, trennten sich Muse von Maverick Records und machten mit Warner einen neuen Deal.
Muse – mehr als Anti-Mainstream
Bei "The Resistance" war die Band erstmals ihr eigener Produzent. Und auch musikalisch geben sie sich emanzipierter. Es gibt wohl nur wenige andere Musiker, die auf einem Album einen derart großen Genre-Spagat hinlegen und dennoch stimmig und stiltreu bleiben. "Undisclosed Desires" ist zum Beispiel nichts anderes als ein angejazzter Popsong. "The Resistance" bedient also trotz griffiger Eighties-Gitarren wie in "Guiding Light" nicht nur eingefleischte Rocker! Zumal Muse diesmal ihr Faible für klassische Melodien voll ausleben. Das dreiteilige Epos "Exogenesis" fährt mit Streichern, Schlagzeug und Weltuntergangspiano auf und erzeugt die dramatische Dichte einer Filmszene – Gänsehaut pur. Lyrisch beschränken sie sich auf die elementarsten Themen der Musik überhaupt: Liebe, Revolution und Hoffnung. Dabei ließ sich Mathew Bellamy von der dunklen Zukunftsvision in George Orwells Roman "1984" inspirieren: "Inmitten einer totalitären Diktatur sehen die Hauptfiguren ihre Liebe zueinander als letzte Zuflucht. Und das sage ich auch auf der Platte: Liebe ist unser Widerstand."
Muse gehören nicht nur zur Rock-Elite Englands, weil sie 2006 eine Live-Session in den legendären Abbey Road Studios aufnehmen durften. Wer in seinen Songs englische Literatur zitiert, kann auch das Erbe der Rockband Queen weitertragen. Mit diesen Rocklegenden werden Muse seit "The Resistance" oft verglichen. Auch deren Stil war von vielen Genres und musikalischem Höchstniveau geprägt. Für Scheuklappen-Denken lassen beide Bands einfach keinen Raum. Und davon hat auch das englische Künstlerwesen immer gelebt: Der Mut, irgendwie anders zu sein. (bt)