Nachdem der September stilecht mit Bon Scott eingeläutet wurde, widmet sich unser Autor Jan Schütz im zweiten Teil unserer kleinen Miniserie über Rebellen der Rockgeschichte einem weiteren musikalischen Querkopf: Brian Jones – Gründungsmitglied, Lead-Gitarrist und musikalischer Einflussgeber bei den Rolling Stones. Nur, wie schreibt man eine Hommage an jemanden, den man kaum kennt, geschweige etwas mit ihm verbindet? Ein Selbstversuch:
Trotz stolzen 50 Jahren Bandhistorie und Ohrwurmkompatibilität – bisher hat es kein Song der Stones in meine persönliche „"Hall of Fame" geschafft. Dafür verbinde ich ihren Sound einfach zu sehr mit Larifarimukke und dem Horrorbild eines Mikro schluckenden Breitmaulfroschs. Nichtsdestotrotz gehören die Engländer natürlich zur Musikgeschichte wie die Gurke zum Hamburger. Brian Jones hatte daran einen maßgeblichen Anteil – und hätte dies vielleicht noch heute, wenn er nicht bereits am 03.07.1969 aus nicht eindeutig geklärten Umständen am Grunde seines Swimmingpools unfreiwillig zum "Gründer" des inoffiziellen Club 27 geworden wäre.
Dabei fing alles ganz harmlos und behütet an als er am 28.2.1942 unter dem Namen Lewis Brian Hopkin Jones als Kind der englischen Mittelklasse im Badeort Cheltenham zur Welt kam – und damit den Geburtsort mit der britischen Skispringlegende Eddie "The Eagle" Edwards teilt. Dort verlief sein Leben zunächst in ziemlich geregelten Bahnen: Klavier- und Klarinettenunterricht sowie gute Schulnoten als Kind, später dann jugendliches Aufbegehren gegen Autoritäten, Frauengeschichten und Jazzleidenschaft – alles ganz normal für diese Zeit. Außer vielleicht, dass er sein erstes uneheliches Kind (von insgesamt mindestens fünf) schon ein Jahr früher bekam als seine erste Gitarre. Diese bestimmte ab seinem 17. Geburtstag, neben den Frauen und der neu entdeckten Liebe für Bluesrock, sein Leben. Er zog bald mit Sohn und Frau nach London und frönte in Clubs und Plattenläden seiner neuen Leidenschaft. Bis er Ende 1961 den "Vater des britischen Blues", Alexis Korner, kennenlernte, der ihm erste Bühnenerfahrung in seinem Musiker-Konglomerat Blues Incorporated verschaffte. Dort traf Brian Jones dann auch auf die beiden Kumpel Mick Jagger und Keith Richards, die ebenfalls ab und an mit der Truppe auftraten und gründete mit Ihnen kurzerhand im April 1962 die Rolling Stones.
Als Gegenpol zu den braven Beatles bot die Band Jones das ideale Mittel, seinen Hedonismus und sein extremes Aufmerksamkeitsbedürfnis auszuleben. Modisch irgendwo zwischen Austin Powers und Günther Netzer angesiedelt, zog er mit auffälligen Hüten, gestreiften Anzügen und blonder Mähne die Blicke von (weiblichen) Fans und Presse auf sich. Dazu sorgte seine anfängliche Leaderrolle dafür, dass er neue Ideen stets umsetzen konnte. Dabei ging es aber weniger um Melodien – als Songschreiber war er eher unbegabt – sondern mehr um die Instrumente selbst. Marimbafon, Cembalo, Hackbrett oder Sitar – laut Keith Richards Aussage konnte Jones irgendwann jedem Instrument schöne Töne entlocken, das er zwischen die Finger bekam. Und keines davon war typisch für das Genre der Rockmusik. Funktionieren taten sie trotzdem alle. Ob "Under My Thumb" (Marimbas), "Ruby Tuesday" (Flöte) "Lady Jane" (Hackbrett) oder "Paint It Black" (Sitar) – alle diese Songs sind bis heute bekannt für ihren außergewöhnlichen Sound. Natürlich zeigte Brian Jones aber auch an seinem ursprünglichen Instrument, der (Lead)Gitarre sein Können (u.a. "(I Can't Get No) Satisfaction").
Leider herrschte innerhalb der Band weniger "Friede, Freude, Eierkuchen" als vielmehr "Alle gegen Alle", und vor allem Jagger/Richards gegen Jones. Im Laufe der Jahre gelang es dem sensiblen Idealisten immer weniger, seine Ideen gegen dieses Regime durchzusetzen. Als ihm dann 1967 Richards auch noch seine große Liebe ausspannte, brach ihm das endgültig das Genick. Drogeneskapaden, Alkohol, Depression und unberechenbare Wutausbrüche waren die Folge und führten schließlich zum Rauswurf aus der Band. Erst kurz vor seinem Tod war er laut Aussage seines Freundes Alexis Korner gerade wieder dabei sich aufzurappeln und mit einer eigenen neuen Band neu anzufangen. Aber daraus wurde ja bekanntlich leider nichts mehr.
Wer noch mehr über das Leben und Sterben des Brian Jones erfahren möchte, der sollte sich den Film "Stoned" oder diese mit Zeitzeugen und privaten Fotos gespickte BBC-Doku aus dem Jahr 1971 ansehen bzw. -hören. (js)