Die Spatzen pfiffen es von den Dächern und die Moderatoren in ihre Radiomikros: Ein Flashmob soll die Frankfurter Innenstadt rocken – mit dem lautesten Riff, dass die Stadt je gehört hat! Klar, dass sich Felix Klein dieses Spektakel nicht entgehen lassen konnte.
Dass die Zeil ein Tummelplatz für allerhand Absonderlichkeiten ist – gut, aber so eine Aktion? Und so mache ich mich im ungemütlichen Nieselregen auf den Weg, um mich kurze Zeit später vor einem Schaufenster wiederzufinden, in dem sich tatsächlich abenteuerliche Dinge abspielen: Aufgebahrt auf einem Stapel aus Steppdecken und Handtüchern, erspähe ich eine alte, aber liebevoll gepflegte Les Paul. Direkt daneben versucht ein Mann mit Truckerkappe etwas aufzubauen, das sicher mal ein Schlagzeug werden soll. An wen verdammt erinnern mich die Jungs, die da hinter der Scheibe so geschäftig und angespannt herumwuseln?
Aus dem Lautsprecher schallt währenddessen die vertraute Stimme von Herrn Ebert. Er ist Moderator bei Radio Bob und hat zu diesem Happening aufgerufen. Jetzt erklärt er seinen Masterplan für den heutigen Nachmittag. Er will mit so vielen Menschen wie möglich und auf so vielen verschiedenen Instrumenten wie nötig das Riff der Riffs intonieren. Live auf der Zeil! Die zwölf Chords, die jeder Hobby-Luftgitarrist als erstes zu spielen versucht, sobald er eine echte Klampfe in die Finger bekommt: Smoke on the Water. Deep Purple.
Mittlerweile hat sich auf beiden Seiten der Schaufensterscheibe einiges getan. Drinnen haben sich fünf Jungs zu einer scheinbar voll funktionsfähigen Band formiert. Sie alle haben die Vierzig schon vor ein paar Jährchen hinter sich. Umso bemerkenswerter ist aber die Haarpracht, die sich die meisten von ihnen erhalten haben. Das Bild passt einfach hundertprozentig. Es ist natürlich die Deep Purple-Coverband "Purple", die heute für den musikalischen Rahmen des Spektakels sorgen soll.
Die eigentliche Show aber findet draußen statt. Immer mehr Menschen treffen ein oder bleiben stehen. Es sind nicht nur Passanten und Gaffer wie ich, viele scheinen auch tatsächlich wegen der spontanen Jam-Session gekommen zu sein. So unterschiedlich wie die Herren und Frauen Musikanten selbst sind auch die Instrumente, oder besser Klangkörper, die sie mitgebracht haben. Ich zähle mehrere akustische und elektrische Gitarren sowie mindestens einen Kochtopf. Alle Skurrilitäten aufzuzählen, die mir an diesem denkwürdigen Freitagnachmittag begegnen, würde allerdings den Rahmen sprengen, deshalb beschränke ich mich auf meine drei ganz persönlichen Favoriten:
- Der Mann mit dem Gitarren-App auf dem iPhone – Auch der Rock muss mit der Zeit gehen!
- Der Typ mit dem wikingermäßig-ausgehöhlten Rinderhorn – Wacken lässt grüßen!
- Der Kerl mit dem Gitarren-Controller von Guitar Hero – An Ironie nicht zu übertreffen und deshalb einfach cool!
Und dann ist der Moment gekommen. Es geht los. Der Schlagzeuger zählt ein: One, two, three, four ... Während der ersten beiden Takte ist das Smoke on the Water-Riff zugegeben nur schwer erkennbar. Richie Blackmore hätte sich vermutlich im Grab umgedreht. Wenn er denn schon tot wäre. Aber was dann geschieht, ist magisch und unheimlich zugleich. Plötzlich läuft das Riff wie geprobt. Und mitten im Feierabendtrubel der Frankfurter Innenstadt beginnen Menschen mitzusingen. In meiner Hosentasche greifen Daumen und Zeigefinger das imaginäre Plektrum und spielen mit. Der Mob rockt. Und ich mit ihm. Ich grinse übers ganze Gesicht und bereue zutiefst, nicht wenigstens meine alte Blockflöte dabei zu haben.