Als der 9 jährige Philipp Poisel im beschaulichen Ludwigsburg eine Gitarre geschenkt bekommen hatte, ahnte wohl niemand, dass der Junge nur ein paar Jahre später bei Herbert Grönemeyer unter Vertrag stehen würde. 2008 erschien sein erstes Album "Wo fängt dein Himmel an?" und im August 2010 das erfolgreiche zweite "Bis nach Toulouse". Andreas Babiak hat sich den 27 Jahre alten Musiker mal genauer angesehen und angehört:
Philipp Poisels Lebensgeschichte klingt wie ein Film: Ärzte diagnostizierten bei ihm einen Hirntumor, was sich am Ende allerdings als Irrtum herausstellte, die Bewerbung zum Realschullehrer wurde abgelehnt und so machte er das einzig Richtige, er machte Musik! Musik, die einen an die Hand nimmt, mit der man weit reist bis man irgendwann bei sich selbst ankommt – wenn man will. Philipp Poisel schafft etwas, was nicht viele hinbekommen: Er schreibt deutschsprachige Liebeslieder ganz ohne Schmalz und Kitsch.
Seine Hauptinspiration ist das Reisen. In seinen Liedern erzählt er von Fern- und Heimweh, von einer meist wundervollen Welt, in der manchmal doch etwas fehlt. Der Stuttgarter lebte einige Winter lang als Straßenmusiker in Litauen und Schweden, und seine Erlebnisse finden sich in seinen Songs wieder. Zu hören auf seinem ersten Album "Wo fängt dein Himmel an?". Da geht’s um Liebe, ums Reisen und ums Vermissen. Ein vielfältiges Debüt aus gefühlvollen, nachdenklichen und heiteren Liedern, das Publikum wie Kritiker überzeugte.
Dieser Mischung bleibt er auch auf seinem aktuellen Album "Bis nach Toulouse" treu, zeigt dabei aber noch mehr Mut und neue Ideen. Da singt Poisel in aller Offenheit von seinen Gefühlen, er erzählt die Geschichten, die er erlebt hat. Seine Krebsdiagnose verarbeitet er in "Froh dabei zu sein" mit den Worten "Auch wenn das Leben manchmal traurig ist, bin ich froh dabei zu sein." Die erste Single "Wie soll ein Mensch das ertragen" ist vor allem in Süddeutschland ein echter Radio-Hit geworden. In dem Lied geht es um heimliche Liebe, die irgendwann nicht mehr versteckt werden kann. Und mit dem Titel-Song "Bis nach Toulouse" beschreibt der Stuttgarter wohl am besten seine Zerrissenheit zwischen Heim und Ferne: "Wenn's mir zu viel wird, dann steige ich aus. Dann steige ich ein, in meinen Wagen, [...] aber schön ist es nicht ohne Dich". Ein echter Live-Kracher dagegen versteckt sich in "Zünde alle Feuer". Das ist lupenreiner Rock, der auch in der für Poisel typischen Akustikversion gut rüberkommt. Eines wird auf dem Album wirklich klar, Philipp Poisel reist gerne, vergisst dabei aber nie was ihm fehlt "Dort wo ich herkomm, halt ich es nie lange aus. Und wenn ich dann fort bin, denk immer an zu Haus". Die melancholischen Töne überwiegen – passend zum Herbst. Das kann einen fesseln, aber auch ein wenig bedrückend wirken – loslassen wird es einen nicht.
Alles in allem ist Philipp Poisel ein echtes Phänomen, fernab von Casting-Shows und Mainstream. Einfach ein junger Mann, seine Gitarre und viel Gefühl. Er geht mit Worten um wie nur wenige, lässt die Gitarre minimalistisch im Hintergrund erklingen und erzählt die Geschichten aus dem Leben eines Mittzwanzigers, der voller Drang ist, die Welt zu erleben. Und dass er dabei manchmal zu viel des Guten versucht, verzeiht man ihm gerne. Er nimmt einen mit, wenn man sich auf ihn einlässt. Und das tun offenbar viele, denn sein zweites Album stieg direkt auf Platz 8 der Charts ein. So wundert es nicht, dass Philipp Poisel auf Stern.de vor Wir sind Helden und Juli mit Abstand zum aktuell talentiertesten Musiker Deutschlands gewählt worden ist.
Im nächsten Jahr wird Philipp Poisel durch zahlreiche deutsche Städte touren, Näheres dazu im Rockkalender. (ab)