Comes With The Fall - Was der Herbst bringt. Der Name der Band von Sänger und Gitarrist William DuVall ist dieses Jahr Programm. Allerdings ist der bärtige Wuschelkopf mit dem nobel anmutenden Namen in diesem Fall nicht in eigener Sache unterwegs. Oder in gewisser Weise eben doch! Nur eben anders! Verwirrt? Dann bringt jetzt Jan Schütz Licht ins Halbdunkel:
Es geht um die offizielle Wiedergeburt einer Band, die selbst denjenigen ein Begriff sein dürfte, die Anfang der Neunziger noch mit der Trommel um dem Weihnachtsbaum gerannt sind. Alice In Chains, eines der Zugpferde des Grunge getauften Orkans, der damals die Grundfeste der Rockmusik erschütterte, sind mit einem neuen Album von den Toten auferstanden. Naja, zumindest fast. Einer hat's leider nicht geschafft. Sieben Jahre nachdem Layne Staley, der düster-charismatische Frontvocalist der Band nach langjähriger, selbst bestimmter Isolation in seinem Haus in Seattle elendig an einer Überdosis verreckte, haben seine ehemaligen Bandmates, Co-Singer und Gitarrist Jerry Cantrell, Trommler Sean Kinney und Bassist Mike Inez eine wirksame Therapie gefunden, mit dem Verlust ihres Freundes umzugehen. Helfen soll dabei William DuVall, seines Zeichens zweite Stimme und Rhythmusgitarrist des remodellierten Vierers aus dem rauen Nordwesten der USA. Der Name ihres Reinkarnations-Werks, das sie "Black Gives Way To Blue" getauft haben, dürfte wohl nicht der Glaskugel entsprungen sein. Denn textlich steht das gesamte Werk ganz klar im Zeichen der Verarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit. Aber eben auch für einen positiven Ausblick in die Zukunft. "Hope, a new beginning,..time to start living like just before we died..." Die ersten Zeilen des Openers "All Secrets Known" weisen gleich die Windrichtung an.
Kurzer Rückblick: Nachdem Jerry C. & Co. den jahrelangen Kampf um ihren Freund Layne gegen die Drogen verloren hatten, schien der Totenschein auf die gesamte Band ausgestellt zu sein. Obwohl die drei Verbliebenen ab 2005 wieder erste einzelne Konzerte spielten, denen ein Jahr später sogar eine kleine USA-Tour, einige Festivals in Europa und ein Mini-Japan-Besuch folgten, konnte man nicht sicher sein, wie und ob es nochmal weitergeht. Somit kam die Ankündigung vor einem Jahr, neues Material aufnehmen zu wollen, ungefähr so überraschend wie eine plötzlich auftretende Windhose, die einem das Federballmatch verhagelt. Nun ist es also vollbracht. Geschlagene 14 Jahre sind seit der letzten Scheibe ins Land gezogen. In dieser Zeit sind wir Papst geworden, haben den Jamba-Frosch überlebt und nervige, verfressene Plastik-Eier hinter uns gebracht. Viele haben sich gefragt, ob die Band generell und vor allem in neuer Besetzung an ihre alte Klasse anknüpfen kann. Um sich der abgewandelten Phrase des neuen Friedensnobelträgers zu bedienen: "Yes, they can!". Und ganz so neu ist der Anfang dann (zum Glück) auch nicht ausgefallen.
Der mehrstimmige Gesang von Jerry und Layne, der die Band ausmachte, funktioniert auch mit der neuen Doppelspitze prächtig. Dabei hat Jerry einen guten Teil der riesigen Fußstapfen von Staley besetzt und es somit seinem neuen Duett-Partner etwas leichter gemacht. Die verbliebene Größe passt wie angegossen, DuVall schlüpft gut rein. Auch indem er sich an Staleys teilweise beschwörend-kehligem Organ orientiert, ohne es kopieren zu wollen. Vergleiche stinken nun mal bestialisch, und daher tut der neue zweite Stimmgeber gut daran, innerhalb des markanten AIC-Sound seine eigene kleine Duftmarke zu setzen.
Nun gibt es Scheiben, die wurden für die Ewigkeit geschrieben. Man kann sie immer wieder hören. Pearl Jam's "Ten" ist so eine oder das Debüt von Rage Against The Machine. "Black Gives Way to Blue" gehört für mich (bis jetzt) nicht dazu. Fairerweise muss ich sagen, dass es die Musik von AIC mit Ausnahme einzelner Songs nie in meine TOP5 geschafft hat. Daher war es mehr eine Mischung aus Neugier und einer Prise Nostalgie, die mich zum Kauf getrieben hat. Aber nach mehrmaligem Durchhören kann ich sagen: Das könnte sich mit diesem Album durchaus ändern. Die Single-Auskopplung "Check My Brain", die schon jetzt zu den kommerziell erfolgreichsten Songs der Band zählt, oder auch "Lesson Learned" überzeugen durch solides, gleichbleibendes Tempo und einen eingängigen Refrain, der sich nach dem ersten Hören im Ohr festsetzt wie der Tinnitus nach einem Manowar-Konzert.
Aber auf diesem Album sind es vor allem die langsameren Stücke wie "Your Decision" oder das wunderbare "When The Sun Rose Again", dessen Anfang ein wenig an "Don't Fear The Reaper" von Blue Öyster Cult erinnert, die einem unters wieder herausgekramte Flanellhemd kriechen. Ob man dafür, wie im wohlig-melancholisch klingenden Titeltrack, Elton John mit ins Boot nehmen musste, um Schützenhilfe am Klavier zu bekommen, sei jetzt mal dahingestellt. Aber warum nicht, wenn's gut klingt?! Wer mehr auf die rockigeren Stücke a la "Them Bones" steht, der sollte das nur anfänglich etwas klebrig wirkende "Acid Bubble", die Breaks in "Last Of My Kind" oder das von harten Riffs bestimmte, leicht verspielte "A Looking In View" einer genaueren Lauschprobe unterziehen.
Zum Schluss bleibt nur noch zu sagen: Diese Platte ist überraschend gut. Aber man sollte doch die Kirche im Dorf lassen. Wer die Band von früher noch kennt, sollte keine Wunder erwarten. Perlen wie "Rooster" oder "Would?" kann man eben nur einmal schreiben. Aber das ist auch gut so. Die neuen Songs machen auf jeden Fall Lust auf mehr, und der Titel verheißt Gutes. Mal sehen wie ernst sie es mit sich und uns meinen ...