Die deutsche Sprache ist weder romantisch, noch klingt sie gut – sagt man gemeinhin. Dass dem gar nicht so ist, zeigt der neue Trend: deutsche Singer/Songwriter-Musik. Cäthe ist eine davon. Mit „Verschollenes Tier“ erscheint bereits ihr zweites Album, auf dem wieder alle Lieder deutsch sind. Andreas Babiak hat reingehört und mit der Hamburgerin über das Phänomen und ihre Liebe zur deutschen Sprache gesprochen.
„Ich muss gar nichts“ hieß es noch vor zwei Jahren auf dem ersten Album von Cäthe. Auf ihrem Debüt waren neben den rockigen Melodien vor allem die einzigartigen Formulierungen auffallend: „Jeden Tag mach ich die Beine breit und pinkle mir ans Bein. Dann verlangt jeder ich soll mich verändern, aber ich soll auch wie immer sein.“ Und das zieht sich auf ihrer Platte durch: ehrliche, direkte Texte, voller Bilder und geladener Worte.
Alles begann 2005 in Hamburg. Catharina Sieland besuchte dort den Popkurs, aus dem heraus auch Bands wie „Boy“ oder „Wir sind Helden“ entstanden sind. Der Weg zum ersten Album ist aber nicht einfach, denn die meiste Zeit ist sie nicht einmal Krankenversichert und lebt vom Flaschenpfand ihrer Freunde. Sie beizt Stühle und verkauft Crêpes, bis sie sich von ihrer Musik über Wasser halten kann. Aber hätte sie mit englischen Texten nicht schneller den Durchbruch schaffen können? „Schon immer habe ich gern Tagebuch und Briefe geschrieben. Mit ungefähr 20 Jahren habe ich begonnen, deutsche Liedertexte zu schreiben. Mir blieb etwas ganz entscheidendes verborgen, als ich noch in Englisch schrieb. Schließlich träume, denke, liebe und zweifle ich in meiner Muttersprache und es liegt nur auf der Hand, dass ich dann beschloss nur noch auf Deutsch zu singen.“
Mit dem Song „Hoch Oben Nah Dem Sturm“ beginnt ihre zweite Platte. Bei diesem eindringlichen Song fällt vor allem das Spiel mit der Sprache auf: „ Als die Wellen kommen und wir uns auf heißen Steinen nah den Klippen sonnen, senkt sich dein Kopf in meinen Schoß und ein Zauber liegt in der Luft. Du sagst mir schelmisch lachend und tief nach Luft schnappend: ich fühle mich lebendig, ja irgendwie vollständig.“
Ihre Texte werden ausgezeichnet
Im letzten Jahr hat Cäthe den Autorenpreis der GEMA in der Kategorie Komposition Rock gewonnen. „Um ehrlich zu sein, habe ich sogar vor Freude geweint. Jahr ein Jahr aus, habe ich viel geschrieben und Lieder aufgenommen, um mich selbst und die Welt besser zu verstehen. Das wurde nun belohnt. Das ist ein unglaubliches Geschenk. Denn das bedeutet, auch wenn noch nicht abzusehen ist, ob der eigene Fleiß und die Leidenschaft belohnt werden, liegt darin doch schon der Funke einer Möglichkeit, irgendwann davon profitieren zu können. Mit oder ohne Preis. Ich habe sehr viel durchs Schreiben über mich selbst gelernt.“ Und auch in diesem Jahr konnte sie einen wichtigen Preis für deutsche Songschreiber gewinnen – den Fred-Jay-Preis. Sie erhält ihn für die Qualität ihrer deutschen Texte, dass „ist für mich besonders wertvoll, da ich das Schreiben liebe und ich mir große Mühe gebe, Liedertexte zu schreiben, die direkt aus meinem Herzen kullern."
Die erste Single der Platte ist „Tabularasa“. Diesen Ohrwurm hat sie bereits auf der letzten Tour gespielt. Ein rockiger Song, der auf dem Album aber etwas ruhiger eingespielt wurde. Das Lied beschreibt die Beziehung zweier Menschen, in der es viele Auf und Ab's gibt, Chaos und Liebe. „Ich hoffe es regnet bald, damit uns die Hitze nicht zu Kopfe steigt. Ich will dir nicht fremd sein oder so weit fort nach all der schönen Zeit.“ Aber Texte zu schreiben ist nicht immer einfach: „Es ist manchmal auch Arbeit, meine Geschichten so zu erzählen, dass sie nicht nur an mir kleben bleiben“, sagt Cäthe.
Aber mit dem verschollenen Tier meint Cäthe natürlich nicht die Sprache, die sie und immer mehr Musiker verwenden, „das Tier steht für die Verbindung mit dem Ursprünglichen, dem Instinktiven in mir. Im Alltag ist es oft verschüttet und versteckt sich. Aber wenn ich mich mit mir befasse, Musik mache oder auf der Bühne stehe, kommt es raus und kann atmen. Auf diesem Album komme ich dem verschollen Tier, also mir selbst, sehr nah. Es fühlt sich an wie ankommen.“
In dem Titelsong des Albums erzählt Cäthe genau davon: „Mein Blick zurück auf Kindertage, der Horizont, meine Lieblingsfarbe und der Frieden hier bei mir. Ich geh ein Stück Richtung Schranke; Gedanken kreisen, wollen Türme sein und stürzen wie Kulissen um mich ein auf die Mohnblumenfelder nicht weit von Zuhaus'. Losgelöst, mal allein für Minuten ungestört sein, für Minuten ein verschollenes Tier, ich gehöre mir.“
Einzigartige Stimme
Cäthe zeichnet vor allem ihre markante Stimme aus. Selten klingen deutsche Sängerinnen so rau und sicher wie sie. Ob sie als Kind auch oft geschrien hatte? Zumindest kann man auf dem Cover sehen, wie sie als kleines Mädchen von ihrem Rad fiel und schockiert auf dem Boden liegend in die Kamera schaut.
Musikalisch hat sich das zweite Album im Vergleich zum Debüt klar weiterentwickelt. Die Musik ist vielfältiger, ausproduzierter. Es werden mehr Instrumente verwendet, es wird mit den Melodien gespielt. Weniger Rock, dafür mehr Alltag und Melodien, die sich im Kopf festsetzen, aber noch lange kein Pop. Wie immer auffallend rhythmisch. Aber dass sich das ganze ausproduzierter anhört, findet Cäthe nicht: „Für mich klingt es gar nicht poppiger oder ausproduzierter. Es ist eher noch ein wenig was dazu gekommen. Ich habe zusätzlich viele Chöre aufgenommen, auch Trompete und Streicher finden nun einen Platz in meiner Musik. Ich mag es, vieles auszuprobieren und offen für Neues zu sein. So macht das Leben nämlich sehr viel Spaß und das Musikmachen sowieso!“
Eine dieser auffallenden Nummer ist „Alien“. Bei allen ihren Songs schafft sie es das Alltägliche zu beschreiben, miteinzubauen und somit jeden an irgendeiner Stelle mitzunehmen. „Ich liege wach, in schlafloser Nacht, in lavendelduftender Hotelbettwäsche, alles wird gut, warte auf mich“. Der Song „Die Leute“ bleibt im Kopf – es ist ein kritischer Song über dass, was die Leute von einem halten: „Vielleicht warst du ein dummer Hippie, ein Rebell ohne Zuhaus'; bei dir war ich so sicher, ich hab dir jedes Wort geglaubt, du wolltest mehr als eine Wahrheit, die sich ständig wiederholt und ich hab es nicht gesehen, dass dich die Wahrheit überrollt.“
Ob Cäthe's Album genauso erfolgreich sein wird, wie die ihrer Kollegen wird sich noch zeigen müssen. Ab dem 14. Juni 2013 ist es erhältlich. Die Texte auf dieser Platte sind simpel und eingängig, es sind nicht einfach Worte, die auf einen Rhythmus passen, es sind Geschichten, die Cäthe erzählt. Eines steht aber schon jetzt fest: es gibt kaum jemanden, der so einfach mit der schweren deutschen Sprache umgeht und zeigt, dass es nicht viel braucht um Sachen schön und klar auszudrücken. Die Sprache ist wildes Tier, dass Cäthe für uns eingefangen hat. (ab)