Ihr Label bezeichnet ihren Stil als 'Visual Trash Punk' und das trifft es schon ganz gut. Bonaparte sind ein buntes, multinationales, willkürlich zusammengewürfeltes musikalisches Kollektiv mit unzweifelhafter Rockstar-Attitüde auf der Bühne. Doch richtig einordnen lassen sich die Exzentriker nicht. Umso gespannter durfte man also auf ihr aktuelles Album sein. Lili Werner hat sich "Sorry We're Open" angehört - und war etwas irritiert...
Bonaparte sind ein Erlebnis! Allein durch ihre Musik ist ihre Eigenart gar nicht zu erfassen: Bühnenoutfits, die an den Kleiderschrank eines Transvestit-Künstlers, die Kostüme eines Wanderzirkus und den Fundus eines heruntergekommenen Barocktheaters erinnern. Live-Shows, die durch die unbändige Spontanität der Musiker die Mengen zum Kochen bringen. Und Songs, die mit so viel Witz und Kreativität daherkommen, dass sie wochenlang im Gehörgang steckenbleiben.
Für letztere ist Tobias Jundt verantwortlich – der Kopf des Bonaparte-Kollektivs. Er ist ein Virtuose auf dem Gebiet des Songwritings und versteht es, seine Lieder mit einer großen Portion Ironie, Humor, aber auch Verstand zu füllen: "You know Baudelaire, I like your hair. You know Churchill, I know Kill Bill. You know Tolstoi, I know Playboy. You know politics, I know party chicks". (aus: "Too Much")
Das Album "Too Much" erschien 2008, fand allerdings nicht bei allen Kritikern Anklang. Bonaparte benehmen sich mit ihrer Musik sicher sehr gewagt, bei ihnen gibt es keine Regeln oder Grenzen. Mit dem Song "Ego" kamen sie sehr rockig daher und klangen nach Grunge-Rock à la Nirvana. Auch der Song "Anti Anti" war von ziemlich fetzigem und frechem Rock geprägt, perfekt für eine ausufernde Bühnenshow. Die Songs klingen nach Lust und Laune, doch immer mit Konzept und Motiv. Sie zielen sehr auf das Visuelle ab, ohne ihre Bühnenshow sind sie quasi undenkbar. Betrachtet man ihre Musik genauer, sind zwischen den teilweise gitarrenlastigen Songs auch viele elektronische Elemente zu entdecken.
Das zweite Album "My Horse Likes You" erschien zwei Jahre später und war auf den ersten Blick ein richtig auffälliges und rockiges Werk. Bei näherem Zuhören wurde allerdings klar, dass die Gitarre stark in den Hintergrund gerückt war und nun elektronische Sounds im Fokus standen. Lediglich das Lied "L'Etat C'est Moi" wurde ausschließlich von einer Gitarre begleitet und klang nach guter, alter Rock-Manier. Da wünschte man sich zum ersten Album zurück, welches den Song und die Frage "Do you want to party?" enthielt, die nur mit einem vehementen und stürmischen "Yes!!" beantwortet werden konnte.
Wie also würde das neue Album klingen? Zurück zu den Rockwurzeln? Im August war es soweit! Fans wie Presse lauschten erwartungsvoll und aufmerksam der neuen Platte "Sorry we're open". Der Opener "When The Ship Is Thinking" klingt erstmal nicht sonderlich vielversprechend. Dagegen erweist sich direkt im Anschluss der Song "Quarantine" als ziemliche Granate, wobei auch dieser Gitarren-Sound nur vom Computer stammt. Lässt man sich ein wenig auf die Musik ein, ist es fast wie zu Zeiten von "Too Much". Es ist alles komplett durchgedreht und verrückt. Bonaparte sind eben unkonventionell bis zum Gehtnichtmehr. Songnamen wie "53°32'26.81 N 09°58'47.28 E" sind an der Tagesordnung. Bei "Bonahula" wird es ganz schön rock'n'rollig, was zwischen den vielen elektronischen Tönen auf dem restlichen Album sehr erfrischend ist. Auch bei "Manana Forever!" wird ordentlich gelallt und auf der Gitarre rumgeschreddert. Trotzdem springt der Funke bei "Sorry, we're open" nicht ganz über.
Irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass Bonaparte sich zwar musikalisch weiterentwickelt haben, nur leider nicht in eine gute Richtung. Mehr elektronische Klänge als akustische, falls eine Gitarre vorhanden ist, sind es eher simple Akkorde, und auch textlich haben sie ein wenig an Charme verloren. Zweifellos ist ihnen ein gewisser Reiz geblieben, auch das Außergewöhnliche, aber sie haben doch einige qualitative Einsparungen an ihrer Musik vorgenommen. Schade! Hoffen wir auf bessere Zeiten. Und wie sagte Bonaparte-Kopf Tobias Jundt einmal so schön in einem Interview mit der "Zeit": "Nichts ist geplant, alles passiert einfach." (lw)