Harte Arbeit? Muss nicht sein. Doch die virtuosen Soli von Hendrix bis Metallica schaffen seit Generationen immer wieder das Wunder, selbst Rebellen zum Ackern zu bewegen. Einmal so gut wie das schier unerreichbare Idol zu sein – dieser Traum weckt ungeahnte Potentiale. Doch der Weg in den Gitarren-Olymp ist steinig und: Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Bettina Taylor hat mit zwei Gitarren-Schüler gesprochen, die von ihren Kämpfen mit dem wohl coolsten Instrument der Welt berichten, und wie sie ihre Riffs letztlich doch zum Rocken brachten.
Vom Zappel-Knirps zum musikalischen PC-Freak
Stefan ist 23 und spielt, seit er neun ist. Wie er das durchgehalten hat? "Es ist immer praktisch, wenn Eltern einen in den Arsch treten." Er gehört wie viele zur Gattung Faultier, doch auch er musste schließlich einsehen, dass das ewige "keine Zeit wegen der Schule" eine billige Ausrede ist. "Mein Lehrer hat mir immer gesagt, dass es mehr bringt, eine halbe Stunde pro Tag statt einmal die Woche zwei Stunden am Stück zu üben. Und das ist machbar!" Denn wer nicht übt, muss in der nächsten Stunde noch einmal dasselbe nervige Stück spielen. Aber selbst Fleißige sollten sich das Götter-Solo fürs Erste abschminken. Stefan hat in den ersten zwei Jahren seiner Rocker-Karriere fast nur langweilige Anschlagsübungen einstudiert. "Man kann nicht die Gitarre in die Hand nehmen und einfach Hendrix spielen. Erst so nach zwei Jahren ging es bei mir richtig los. Als ich dann von Lynyrd Skynyrd 'Free Bird' drauf hatte, war das total geil!"
Gitarrenlehrer Alex Weber kennt das. Die ambitioniertesten Schüler sind für ihn manchmal die Schwierigsten. "Die wollen immer gleich alles können. Man muss sich aber auf kleine Abschnitte beschränken, um technische Feinheiten zu perfektionieren. Das ist zum Beispiel bei Barré-Griffen ganz wichtig. Wenn es dann trotzdem zu schwierig ist, dann wird’s eben noch kleiner gemacht. Das macht viele wahnsinnig."
Was Stefan umso irrer machte, war die Klassik. Als Knirps bekam er von der steifen Spielhaltung ständig Schmerzen, und seine Lehrerin achtete penibel auf jede Position. "Es sieht verdammt schwul aus, wenn man richtig sitzt. Viele Jugendliche haben da ein Problem, wenn sie sich so hinsetzen sollen, weil sie eigentlich Gitarre lernen, um Rock zu spielen." Trotzdem ist er froh, dass er auch diesen Stil drauf hat. "Ich hab‘ mir gedacht: Komm, das ist jetzt nicht schlecht, wenn du das kannst. Da braucht man wirklich auch 'ne gewisse Offenheit."
Als Gamer übertrug er später seine musikalische Leidenschaft auf den Computer. "Eigentlich brauchst du für deine E-Gitarre keinen Verstärker. Wenn du gescheite Lautsprecher und eine gute Soundkarte hast, kannst du sie auch an den PC anschließen und mit Musikprogrammen wie "TuxGuitar" Verzerrungen oder Tonlagen einstellen. Ich lasse mich gerne von einer Blues-Band mit abgestimmter Tonlage und Geschwindigkeit begleiten“, erzählt er.
Aushilfslehrer auf YouTube
Wenn Stefan wieder nicht zugehört hat, ist sein Computer ebenfalls ein endlos geduldiger Aushilfslehrer. "Auf YouTube gibt es viel von professionellen Lehrern, die in ihren Videos auch mal zeigen, wie man eine Gitarre stimmt. Mein Lieblings-Kanal ist von Jonny Pilatus." Wenn es um Materialbeschaffung geht, greift Stefan aber doch lieber zum Print. "Es gibt Lehrbücher mit coolen Songs. Schule der Rockgitarre von Andreas Scheinhütte zum Beispiel."
Von der verträumten Hippie-Blume zur souveränen Lagerfeuer-Gitarristin
Wer nur im Stillen übt, kriegt oft Rhythmus-Probleme. So erging es Claudia, eine 58 Jahre alte Gitarristin der "Lagerfeuer-Hippie-Generation". Bei ihr war es pure Eigenmotivation, die sie vorantrieb. "Ich habe erst mit 18 angefangen und kannte Achtjährige, die besser den Takt hielten! Doch ich wollte unbedingt meine Lieblingssongs singen und mich dazu begleiten!" Um mehr Rhythmus-Gefühl zu bekommen, hat sie viele Stunden lang Klatschübungen gemacht und beim Spielen mit dem Kopf genickt.
Im Gegensatz zu Stefan hat sie den Einstieg im Selbststudium gewählt. "Aber mit Lehrer wäre es wohl besser gewesen. Freunde, die professionellen Unterricht nahmen, gaben immer die besten Tipps. Ein Klassenkamerad hat mir mal gesagt, dass ich im Unterricht meine Finger so bewegen soll, als ob ich spiele – sah ziemlich dämlich aus, hat aber die Koordination trainiert."
Weil Claudia so versessen war, alles richtig zu machen, hat sie sich beim G7-Akkord immer die linke Hand verkrampft. Lehrer Alex macht mit solchen Schülern Dehn- und Entspannungsübungen. "Wenn man die Finger richtig spreizen muss, kann man auch mal die Hand 30 Sekunden lang entspannen oder ausschütteln. Überhaupt ist es beim Gitarre spielen wie in allen Lebenslagen auch: Immer locker bleiben! Handmuskeln wachsen nicht von heute auf morgen." Dennoch macht er handschwachen Schülern Mut: "Wer sein Spieltempo steigern will, kann mit Kraft allein nichts machen. Da ist visuelles Vorstellungsvermögen gefragt. Sonst batscht man mit den Fingern ständig daneben."
Als Freigeist der 60er war es für Claudia natürlich auch wichtig, die Kunst der Improvisation drauf zu haben. "Ich musste die ganzen Tonleitern lernen. In den höheren Lagen wird das dann echt kompliziert, weil man oft nicht gleich weiß, wo welche Töne sind. Obwohl ich gut Noten lesen kann, war das für mich verdammt schwer. Aber mein Fleiß hat sich dann endlich ausgezahlt: Ich bin zwar kein Naturtalent, aber in der Theorie habe ich mehr drauf als viele meiner Freunde – und die bringt einen immer weiter!" Claudias Drang nach Perfektion stand ihr beim Improvisieren jedoch im Weg. Gitarrenlehrer Alex erklärt, warum: "Bei der Impro müssen Akkordwechsel und Melodieabschnitte im Voraus erahnt werden. Das klingt jetzt total schwer, aber eigentlich steckt dahinter nur Intuition. Deswegen ist hier Fehler machen wichtig, damit man das Gefühl für die Musik entspannt entwickeln kann."
Claudias Lagerfeuer-Darbietungen sind heute zwar weniger geworden, doch wenn sie sich im Alltagsstress in ihre Jugend flüchtet, nimmt sie immer ihre alte, mit Blümchen bemalte Akustik-Gitarre in die Hand und ist froh, dass sie ihren Traum vom Spielen nie aufgegeben hat.
Schule der Rockgitarre versorgt euch auch online mit coolen Songs! Im Archiv findet ihr unter Riffs eine breite Auswahl. Und bevor ihr euer Instrument in alter Rocker-Manier zertrümmert, schaut doch erst bei "Frag AS" nach einer Lösung für euer Spielproblem. Oder fragt den Gitarren-Meister Andreas Scheinhütte persönlich und schickt eine Mail an die Redaktion. (bt)