Die Künstlerkommune und Band Amon Düül ist inzwischen Kult. Ihr radikaler Ansatz und die Art und Weise zu musizieren brach verkrustete und überholte Vorstellungen über die Musik auf und stellt den ersten "eigenen Beitrag zur internationalen Musikszene" dar. So zumindest schrieb die Musikzeitschrift Melody Star 1969 zur ersten Veröffentlichung "Phallus Dei" von Amon Düül II. Ein eigenes deutsches Rockgenre war geboren. Daniel Kirschey klärt auf:
Heutzutage kennen die meisten dieses Genre unter dem Namen Krautrock. Zurückgeführt wird der Begriff auf das Lied "Mama Düül und ihre Sauerkrautband spielt auf" heißt. Dieser Titel regte den britischen Radio-DJ John Peel zu dem Begriff Krautrock an.
Amon Düül war zu aller erst eine Münchner Kommune, die sich 1967 bildete. Der Name ist eine Zusammensetzung des ägyptischen Gottes Amon und der türkischen Bezeichnung Düül für Mond. Amon Düül war, ähnlich wie das Berliner Pendant K1, eine politische Kommune. Sie nahm an sogenannten Happenings und an Demonstrationen teil und war ein Treffpunkt für viele Jugendliche. Alte Strukturen sollten aufgebrochen, neue Ansätze wollten gefunden werden. Während die Kommune 1 in Berlin jedoch auf der Suche nach neuen politischen Formen war, suchte die Kommune Düül in München nach neuen ästhetischen Formen und Werten.
Mit dieser Überzeugung ging ein Teil der Kommune an das Thema Musik. Alle sollten Musik machen, unabhängig davon, ob man im Musizieren schon Erfahrungen hatte. So waren die ersten Auftritte 1967 davon geprägt, dass viele ihre Instrumente nicht wirklich beherrschten. Und da alle mitmachen konnten, wirkten die Kinder einzelner Amon Düüler ebenfalls mit. Auch wenn es heute fast unvorstellbar erscheint, diese ersten Auftritten haben viele Menschen enorm beeindruckt. Die Konzerte von Amon Düül galten als etwas ganz besonderes, als etwas noch nie dagewesenes.
Doch bald schon kam es zu einem Bruch innerhalb der Kommune. 1968 fanden in Essen die 1. Internationalen Essener Songtage statt. Zwischen politischen Diskussionen und Konzerten sollte das Programm hin und her pendeln. Mit dabei auch Amon Düül – genau genommen jedoch schon Amon Düül I und Amon Düül II. Die Spaltung von Kommune und Band hatte sich kurz vor der Veranstaltung vollzogen. Zwei Lager stritten um ideologische und musikalische Differenzen. Dabei ging es auch darum, wer unter dem Namen Amon Düül in Essen auftreten sollte. Amon Düül I zog eine freie Ausübungen der Musik ohne Einschränkungen vor, der Rest der Kommune bildete Amon Düül II und zog aus München weg. Der Auftritt in Essen wurde in der Medienwelt unterschiedlich rezipiert. In der Kölnischen Rundschau las man: "Von ihrer Lebensart erzählt die Musik. Sie ist völlig ungehemmt, leidenschaftlich und frei." Die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschrieb den Auftritt jedoch als ein "halbstündiges musikalisches Nichts."
Positivere Aufmerksamkeit bekam Amon Düül II. Ihre erste Platte "Phallus Dei" war zwar noch nicht der große Durchbruch, beinhaltete jedoch schon alle Merkmale, die Amon Düül II auf ihren späteren Veröffentlichungen noch ausbauen würden. Es war Beat- und Rockmusik aus Deutschland, ohne den sonst so allgegenwärtigen Versuch, den anglo-amerikanischen Bands nachzueifern.
In den nächsten Jahren veröffentlichten Amon Düül I & II nebeneinander ihre Alben und erspielten sich ein Publikum. Die musikalische Revolution ging zwar in unterschiedliche Richtungen, konnte aber Fuß fassen und die Krautrock-Szene war entstanden. Trotz aller Kritik die der neuen Art von Musik entgegenschlug, ging die Kommune ihren Weg. Denn über Geschmack kann man bekanntlich nicht streiten, über die Definition von Musik zum Glück schon. (dk)