Post-Musik ist eindeutig kein leicht konsumierbares, musikalisches Fastfood. Wer sich mit Post-Rock und Post-Metal beschäftigen will, braucht offene Ohren für Neues und die Bereitschaft, sich von der üblichen Vorstellung wie Musik aufgebaut sein soll zu trennen. Sebastian Schott hat diese musikalischen Schwergewichte genauer beleuchtet:
Beginnen wir mit der Begrifflichkeit: "post" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet schlicht "nach". Viele kennen vielleicht auch Kulturbegriffe wie die Postmoderne oder den Postkolonialismus. In diesem Kontext steht er zwar in erster Linie für eine Abkehr von spezifischen Eigenschaften (aus der Moderne bzw. dem Kolonialismus), nutzt aber durchaus Elemente dieser Epochen, um sie neu anzuordnen und in Berührung mit anderen Kulturen zu bringen.
Überträgt man diesen Impuls zur Selbstabgrenzung von früheren Standards auf die Musik, dann bedeutet dies für den Post-Rock/Metal ein Durchbrechen traditioneller Songstrukturen. Statt dem Strophe-Refrain-Strophe-Aufbau wird motivische Wiederholung zu einem Stilmittel und die Klimax wird subtiler und vor Allem wesentlich langsamer aufgebaut. Die Abwechslung in dieser Musik entsteht in erster Linie durch Wechsel von Dynamik und Rhythmus, während Melodien und Gesang eine untergeordnete Rolle einnehmen. Mit Stücken, die weit jenseits der radiotauglichen 3-5 Minuten Dauer liegen, muss man sich beim Hören schon arrangieren können, eine Obergrenze gibt es da nicht, auch wenn 20-Minüter der Marke Godspeed! You Black Emperor nicht zur Regel gehören.
Um den langen Stücken noch eine weitere Klangdimension hinzuzufügen, bedienen sich Post-Rock/Metal-Bands vermehrt an Synthesizern und anderen Mitteln zur Erzeugung elektronischer Geräusche. Die dienen der Musik dabei als Ambient- und Noise-Untersatz. Gerade beim Post-Metal entsteht durch diese Mischung oftmals ein ziemlich massiver Sound, der räumliche Weite suggeriert und die Musik wie eine endlose Reise erscheinen lässt. Wer sich einmal das Album "The Galilean Satellites" von Rosetta angehört hat, wird wissen was damit gemeint ist – auch wenn im Genre thematisch üblicherweise eher innerhalb der Erdumlaufbahn agiert wird. Die besondere Herausforderung für Bands dieser Art liegt darin, die breiten Gitarrenwände, elektronischen Geräusche und Ambient-Landschaften in koordinierten Krach umzuwandeln. So ist für Post-Musiker neben langem Atem vor allem auch das nötige technische Knowhow für die Soundabstimmung wichtig.
Post-Rock/Metal ist häufig Instrumentalmusik: Durch den Verzicht auf Gesang, beschreiben einschlägige Bands nicht mehr lyrisch, wie etwas geschieht, sondern transportieren das Gefühl ausschließlich in der Musik. Auch werden Artwork und die Auswahl der Songtitel zu einem viel größeren Bezugspunkt für den thematischen Hintergrund des Werks. Die Post-Rocker von Red Sparowes erzählen beispielsweise in den Songtiteln ihrer ersten beiden Platten fast schon kleine Kurzgeschichten. Ist Gesang vorhanden, nimmt dieser zumindest im Post-Rock sehr selten eine tragende Rolle ein, weil er entweder introvertiert ausfällt oder im Sound unter den restlichen Instrumenten begraben wird.
Wer sich intensiver mit Post-Rock/Metal auseinandersetzen will, der sollte nicht nur genügend Zeit mitbringen, sondern im besten Fall auch eine hochwertige Anlage, denn nur so kann diese Musik ihre Qualität vollends entfalten und den Hörer geradezu überwältigen. (sch)