Das Burg Herzberg Festival ist die größte Hippie-Convention in Europa. Seit 1968 steht im hessischen Breitenbach ein Sommerwochenende ganz im Zeichen von Love, Peace and Rock'n'Roll! Das Hippie-Mekka ist eine Institution für Alt-Hippies, Familien, Lebenskünstler, Aussteiger, Freaks und alle, die das Lebensgefühl von Liebe und Frieden in sich tragen. Dabei spielt die Musik natürlich eine große Rolle. Progressive Rockmusik der 1960er bis 1980er, von Ash Ra Tempel über Eric Burdon, Iron Butterfly und Steppenwolf bis Wishbone Ash, aber auch Liedermacher, Blues, Folk und Pop-Rock gibt es hier zu hören. Und mittendrin unsere Reporterin Ipek Yalcin:
Die Sonne brennt auf den Asphalt und die Wiese, Schattenplätze sind Mangelware. Das kurz gemähte Stroh piekst an den Füßen. Schilder wie "ACHTUNG! Wegen Staub auf dem ganzen Gelände unbedingt Schritt fahren!!!" bringen die Trockenheit des Geländes genau zum Ausdruck. Was für ein Kontrast zum letzten Jahr, als das Motto "Make Love Work" flugs in "Matsch More Love" umbenannt wurde, weil alles im Matsch zu versinken drohte. Das ist diesmal ganz anders! Zum Glück gibt es unzählige Wasserplätze, um sich zwischendurch eine kurze Abkühlung zu verschaffen.
Dieses Jahr heißt es nach dem indischen Guru Maharishi Mahesh Yogi "Art of Peace". Und der kühne Wunsch nach der Kunst des Friedens ist zumindest hier in der so genannten "Freak City" keine Utopie. Die rund 12.000 Besucher leben diese Friedfertigkeit in den vier Tagen des Festivals. Überall sieht man glückliche Menschen, keiner bleibt alleine. Man kommt mit netten Leuten ins Gespräch und genießt den süßlichen Duft von verbotenen Kräutern. Und natürlich die Musik, denn deswegen sind schließlich alle hier.
Bei drei Bühnen (Main Stage, Freak Stage und Mental Stage) sowie einem Lesezelt hat man die Qual der Wahl. Auf Freak und Mental Stage ist meist ziemlich experimentelle Musik zu hören: Die Brass Band Marshall Cooper beispielsweise, Götz Widmanns Liedermacherfreakshow, Kadavar oder ein bisschen Reggae mit den Mighty Vibez – die Freak Stage kann das. Auf der Mental Stage tummeln sich Acts wie CanGuru, die Space Invaders, der links-politische Klaus der Geiger, Ginger und DJ Electric. Die Bühnen sind kleiner, man ist näher am Geschehen, ja fast schon mittendrin.
Ich habe mich allerdings hauptsächlich auf die großen Act der Main Stage konzentriert. Am Donnerstagabend gaben dort moe. ihr einziges Europa-Konzert. Allerdings irritierten sie ihre zahlreichen Fans mit endlos langen Instrumentals und waren zudem erschütternd maulfaul. Keine Vorstellung der Band, kein Gruß an die Anhänger. Kein Wunder, dass das Publikum nicht wirklich mitging. Ganz anders dagegen Steve Hackett. Der Ex-Gitarrist von Genesis stimmte die Meute am Freitagabend freudig ein und musste zum Dank etliche Zugaben spielen. Mein persönliches Highlight dann am Samstag mit Gov't Mule! Die Band um Warren Haynes, der übrigens zusammen mit Allen Woody bei The Allman Brothers Band spielte, heizte dem Publikum ordentlich mit Blues- und Southern Rock, psychedelischen Tönen und einer etwas anderen Version von Bob Marleys "Lively Up Yourself" ein. Die Stimmung war super, die Nacht klar, der Mond nahezu voll und ich glaube, in dieser Nacht schlief wirklich jeder sehr gut.
Auch am Sonntag wurde wieder eine bunte Mischung an Musik geboten, mit dem einzigen Deutschland-Gig der Spin Doctors als Höhepunkt. Wer erinnert sich? In den 1990ern landeten sie mal mit dem Song "Two Princes" auf Platz 3 der deutschen Charts.
Und sonst? Beim Burg Herzberg Festival gibt es ständig viele Überraschungen, spontane Jamsessions, Feuershows und vieles mehr. Es ist schwierig, sich für einen Act zu entscheiden. Die lieben Kleinen, die ihre Eltern begleiten, finden eine wundervolle Spiellandschaft mit Riesenschaukel, Bastelangeboten, Instrumenten, und und und! Hungern muss übrigens auch keiner: Hier funktionieren Currywurst und Spieß ganz friedlich neben veganen/vegetarischen Spezialitäten und orientalischen Köstlichkeiten.
Wer einmal in die "Freak City" gepilgert ist, kommt immer wieder. So ging es mir. So geht es anderen. Und genau das zeigt auch die steigende Tendenz der Besucherzahlen: Burg Herzberg bedeutet Reizüberflutung im positiven Sinne! (iy)