14 Jahre habe ich mich gefragt, warum die englische Nationalmannschaft ausgerechnet eine so innige Partnerschaft mit einem deutschen Sportartikelhersteller eingegangen ist. Gibt es denn keinen anderen Ausrüster? Und warum muss man in einem Song darauf Bezug nehmen? Ein großes Mysterium. Das Rätsel hat sich erst kürzlich gelüftet, genauer gesagt beim ersten Gruppenspiel Englands während der WM in Südafrika. Bei einer Totalen auf Wayne Rooney fiel mein Blick auf das Wappen auf seiner Brust. Drei Löwen! Three lions also. Langsam, ganz langsam machte es Klick, und mir wurde bewusst, dass es in dem EM-Song der Lightning Seeds nicht etwa heißt: "Three lines on the shirt ..." (drei Streifen auf'm Trikot), sondern wohl eher "three lions ..."! Geht es denn noch peinlicher? Ja! Ich war außerdem der Meinung, dass jener Song "Football's Coming Home" heißt. Doch der Titel lautet korrekterweise "Three Lions", und das bereits seit 1996 ...
So ist das mit den Fußball-Songs. Wo ein Fußball-Lied ist, ist die Peinlichkeit oft ganz nah – auch wenn sie in dem meisten Fällen nicht im Ohr des Hörers liegt, sondern recht offenherzig daher kommt. Neben Perlen wie Franz Beckenbauers "Gute Freunde kann niemand trennen" oder Gerd Müllers "Dann macht es bumm" führt die Peinlichkeitsliste aktuell ganz bestimmt die hüftenschwingende Kolumbianerin Shakira mit ihrem "Waka waka" WM-Song an. Echt schauerlich! Da lauscht man doch lieber dem Klang tausender Vuvuzelas ...
... oder einem der albernen Liedchen, die über Youtube rasende Verbreitung gefunden haben und durchaus prophetisch sind: Die schräge Combo "Vier Sterne" hatte es auf Italien abgesehen. "Nur Italien nicht" erfreute ganz Deutschland und verärgerte halb Italien. Und der leidenschaftliche Aufruf zeigte prompt Wirkung, denn die Azzurri mussten bereits nach der Vorrunde als Gruppenletzte wieder Koffer packen. Findige Fans verwursteten Lenas Eurovision-Sieger-Song "Satellite", flugs in "Schland, oh Schland", was bei Lenas Plattenfirma zunächst für große Wallung sorgte, dann aber – dank der Intervention von Stefan Raab und auch Lena selbst – zu einem kleinen Goldregen wurde. Da hatte man "Uwu Lena" nämlich flugs unter Vertrag genommen. Mein persönlicher Favorit der schrägen Songs ist aber eindeutig "Gimme Hope, Joachim" von Basta. Einfach herzig!
Und schließlich gibt es auch noch Stücke, die vom Fußball einfach annektiert wurden. Ohne Carl Orffs "Carmina Burana" können Vereine wie der FC Bayern inzwischen gar nicht mehr auflaufen. Fast schon Klassiker-Status hat "Go West" von den Pet Shop Boys, und auch ohne "Seven Nation Army" von den White Stripes liefe nicht mehr viel in den Stadien der Welt. Es scheint so, dass Musik zwar prima ohne Fußball leben kann, Fußball aber dringend eine musikalische Unterlage braucht. (cm)