Warum sollte man über ein Album schreiben, das inzwischen 26 Jahre auf dem Buckel hat? Vielleicht deswegen, weil Queensrÿche mit ihrem Progressive Metal-Album "Operation Mindcrime" aus dem Sumpf der 80iger Jahre Metal Bands mit all ihrem Haarspray und ihrer fragwürdigen Mode immer noch heraussticht. Ja, zugegeben auch diese Gruppe gab sich dem zeitlichen Haarspray-Fetischismus hin. Doch unter der Haartolle verbirgt sich mehr, als nur die typischen eingängigen Metal-Lieder der Zeit. Daniel Kirschey hat genau hingehört:
Ende der 80iger ist Metal auf seinem Höhepunkt. Im Radio und auf MTV hat sich über die Zeit die härtere Gangart des Rocks langsam aber sicher ein Fleckchen gesichert. Von Bon Jovi, Van Halen und Poison bis hin zu Iron Maiden, Judas Priest und Metallica – Metal war beliebt. Kein Wunder also, dass Queensrÿche mit ihrem dritten Album "Operartion Mindcrime" 1988 zur richtigen Zeit zuschlugen.
Sänger Geoff Tate erzählt später, dass ihm die Idee zur Geschichte des Albums in einer Kirche gekommen sei. Die Geschichte der Platte? Ja, denn "Operation Mindcrime" ist ein Konzeptalbum, eine sogenannte Rock Oper. Doch wer jetzt glaubt, die Handlung dreht sich um Frauen, Haarspray, Partys und Bier, der liegt wahrlich daneben.
In ihrer "Top 10 Concept Albums of All Time" bringt es Guitar World auf den Punkt, wenn das englischsprachige Magazin zu Operation Mindrcime den Schlusssatz wählt: "Queensrÿche differentiated themselves here from the better-selling ’80s poodle metal bands by not being butt-stupid." In ihrer Liste belegt "Operation Mindcrime" immerhin den vierten Platz kurz hinter den Konzept-Platten von Genesis, Pink Floyd und The Who.
Die Handlung des Konzeptalbums dreht sich um den Junkie Nikki, den Drahtzieher Doktor X, den lüsternen Priester Vater William und die Nonne Schwester Mary. In ihr findet man so alles, was in eine tragische Geschichte hineingehört: Liebe, Sex, Auftragsmorde, Verschwörung, Vergewaltigung, Selbstmord und Wahnsinn.
Der Junkie Nikki wird von Doktor X als ausführendes Werkzeug seiner politischen Pläne missbraucht, während Vater William die ehemalige Prostituierte Schwester Mary sprichwörtlich auf dem Altar missbraucht. Unter Hypnose führt Nikki Auftragsmorde auf Befehl des Doktors aus, bis er auf Mary trifft, deren Dienste ihm von Doktor X als "Belohnung" geschenkt werden. Denn Vater William ist ein Freund und Unterstützer des Doktors.
Als der Doktor X in Vater William und Schwester Mary schwache Glieder seines Plans vermutet, bekommt Nikki den Auftrag beide zu eliminieren. Nikki, der sich in Mary verliebt hat, bringt dies jedoch nicht übers Herz. Nachdem Nikki und Mary Sex auf dem Altar haben, bringt sich Mary um. Nachdem Nikki daran scheitert Doktor X zu stellen, findet er die Leiche von Mary in der Kirche. Daraufhin verfängt er sich in seinen Gedanken und verfällt in einen katatonischen Zustand. Innerhalb nur einer Minute spielt sich die gesamte Geschichte vor seinem inneren Auge immer wieder ab.
Was vordergründig nach einer rein fiktiven Geschichte über Macht und Sex aussieht, offenbart sich bei genauerem Hinsehen zu einem politischen und gesellschaftlichem Kommentar des Amerikas der achtziger Jahre. Queensrÿche zeichnen eine düstere und kaputte Welt voller korrupter Politiker, lügender Medien und intrigierender Machtmenschen.
Im Laufe ihrer Karriere ändern Queensrÿche auf Tour stetig kleine Details der einzelnen Liedtexte und Aufführungen, damit diese auf die gegenwärtige Zeit passen. So schafft es die Gruppe, dass die Thematik der Platte nichts an ihrer Aktualität verliert. So ist "Operation Mindcrime" eine Art Parabel. Zwar erzählt das Album im Detail symbolisch die Geschichte von Nikki und Mary, doch wirft sie auch gleichzeitig aktuelle Fragen zu Politik und Gesellschaft auf, so dass die Platte noch 26 Jahre nach ihrer Veröffentlichung ständig neue Hörer für sich gewinnen kann. (dk)