Die US-amerikanische Punkrockband The Scandals begleitet aktuell The Gaslight Anthem auf Tournee. Unsere Reporterin Corinna Würzberger sprach mit den vier Jungs aus New Jersey über das Tourleben und ihre Musik, die sie nun auch erfolgreich in Europa bewerben:
Es herrscht ausgelassene Stimmung als ich auf der Suche nach meinen Interviewpartnern in den Backstagebereich von The Gaslight Anthem und The Scandals stolpere. Da wird der Schlagzeuger Paulie gerade erst noch auf seine Tattoo-Sitzung vorbereitet und rasiert (das Ergebnis – zwei Spielkarten auf der Rückseite seines rechten Unterschenkels – dürfen wir später bewundern). Und auch sonst herrscht auch schon drei Stunden vor Konzertbeginn gute Laune und ein Überschuss an Energie, die nur darauf warten endlich auf das Publikum losgelassen zu werden. Doch zuvor stehen mir Jared Hart (Leadsänger und Gitarrist), Anthony Iaross (Gitarrist), Sean Carney (Bassist und Sänger) und Schlagzeuger Paulie Yaremko noch Corinna Würzberger Rede und Antwort:
SdR: Wie hat The Scandals angefangen?
Jared: Ich hab’ die Band gestartet, als ich gerade neu auf die Oberschule gekommen bin. Da war ich so etwa 14 Jahre alt. Nun hat es sich tatsächlich zu etwas entwickelt, von dem ich immer geträumt habe, von dem ich aber nicht erwartet habe, dass es tatsächlich Realität werden würde. Angefangen hat es mit einer Gruppe Freunde, die einfach Musik machen und ein paar Konzerte spielen wollte. Unterwegs hab ich dann diese feinen Herren hier getroffen und seither sind wir immer auf Tour.
SdR: Tour, das ist ein gutes Stichwort: Ihr beschreibt euch selbst als absolute Tourband. Was macht es für euch so besonders auf Tour und unterwegs zu sein?
Jared: Ich denke, in erster Linie geht es darum, neue Leute kennen zu lernen. Ich kann sicherlich für uns alle sprechen, wenn ich sage, dass wir einige unserer besten Freunde nicht getroffen hätten, wären wir nicht auf Tour. Ich hätte auch Sean nicht getroffen.
Sean: Das stimmt, wir haben uns auf Tour getroffen und dann angefangen, gemeinsam in dieser Band zu arbeiten. Für mich ist es einfach toll, die Welt zu sehen und dabei Musik zu machen. Wir würden sonst jetzt nicht mit euch hier in Berlin sitzen!
SdR: Aber habt ihre denn tatsächlich Zeit, die Welt zu sehen?
[lachen]
Sean: Nein, eigentlich überhaupt nicht.
Jared: Wir haben hier auf den Europatourneen wirklich einen strikten Zeitplan. Aber ab und an haben wir Glück und können einige freie Stunden verbringen und uns etwas anschauen.
SdR: Trotz allem stell' ich mir es auch ziemlich anstrengend und nervig vor, ständig mit der Band unterwegs zu sein und wenig Privatsphäre zu haben. Seid ihr es dann nicht manchmal einfach satt?
Jared: Klar, diese Momente gibt es, in denen man einfach sein Bett und die Leute zu Hause vermisst. Ab und an muss man dann schon mal Verschnaufpausen machen. Wenn man mit Freunden zusammen tourt, dann ist man vielleicht mal kurz von allen im Van genervt, aber sobald wir am Veranstaltungsort ankommen und die Jungs aus der anderen Band sehen, dann ist eigentlich direkt wieder Party und gute Laune angesagt.
Sean: Die erste Woche zuhause ist super schön: Du schläfst in deinem eigenen Bett, du machst die Wäsche und all solche Sachen. Aber in der zweiten Woche merke ich schon dieses Jucken in den Fingern, und ich will sofort wieder zurück auf Tour.
SdR: Habt ihr denn ein paar Überlebenstipps für lange Tourneen?
Anthony: Manchmal muss man einfach mal kurz für 'ne halbe Stunde oder so weggehen von der Gruppe und offen aussprechen: "Hey Leute, das hat nichts mit euch zu tun, aber ich brauch kurz einen Moment für mich." Dann kann man Druck rauslassen und zurückkommen. Das ist was ich persönlich in solchen Momenten mache.
Paulie: Ja, Raum für sich ist wichtig. Da spielen so viele Dinge mit rein, warum man vielleicht plötzlich von einer Kleinigkeit genervt ist: Man hat nicht oder zu wenig geschlafen, hat 'nen Kater oder fühlt sich einfach nicht gut. Da hilft es, sich kurz zurückzuziehen, ein Buch zu lesen oder Musik zu hören.
Jared: Ja, ich denke der Schlüssel ist, die eigene schlechte Laune nicht an anderen auszulassen. Schließlich sind wir ein Team!
SdR: Wie beeinflusst euer Tourleben eure Musik?
Jared: Ich persönlich schreibe über Geschichten, die ich erlebt habe oder die andere Menschen erlebt haben. Dadurch sind die Texte definitiv durch Geschichten beeinflusst, die ich unterwegs erfahre. Die Menschen, die du auf Tour triffst sollten deine Musik beeinflussen, denn ohne sie gäbe es auch keine Musik.
SdR: Was steckt dahinter, dass ihr "Time Machines" nur in Europa veröffentlicht habt?
Jared: Unser Label hier wollte, dass wir etwas veröffentlichen, mit dem wir unsere erste Europatour letztes Jahr bewerben konnten. Allerdings hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch kein komplettes Album fertig und EPs laufen nicht so gut. Deshalb haben wir uns entschieden, unsere EP aus dem Jahr 2012 mit zwei verschiedenen Bandbesetzungen—jeweils auf Seite A und B— rauszubringen. Dreht man nun die Scheibe, macht man also eine kleine Zeitreise und kann unsere Entwicklung verfolgen.
Paulie: Ich denke, Time Machines zeigt gut, was die alten Bandmitglieder geleistet haben, aber auch was die neuen Mitglieder hinzugefügt haben. Denn jeder hat etwas mitgebracht und die Lieder dadurch etwas verändert. Das Album klingt also definitiv anders als die Liveauftritte, aber The Scandals sind auch dafür gemacht, live gesehen und gehört zu werden! Klar, das ist immer schwer in ein Album zu pressen, aber Time Machines war ein guter erster Eindruck davon, was wir sind.
SdR: Es ging also um eine Vorstellung für das europäische Publikum. Und hat es funktioniert? Wie war das Feedback?
Anthony: Sehr positiv. Die letzte Tour war fantastisch!
Sean: Wir erkennen einige Fans von der letzten Tour wieder, die also wiedergekommen sind. Und das ist das Ziel!
Paulie: Wir sehen einige Leute zu unseren Songs mitsingen und das ist ein Riesending, dafür, dass wir gerade mal zum zweiten Mal in Europa unterwegs sind. Oder sie crowdsurfen und gehen richtig ab bei unserer Musik. Das wiederum bringt auch unsere Energie noch mehr zum Vorschein. Dafür sind wir zu Hause in den Staaten eigentlich bekannt, dass wir auf das Publikum reagieren. Ohne das Publikum wären wir nicht hier.
SdR: Was ist denn mit dem neuen Album? Ich hatte gelesen, dass es Anfang 2015 erscheinen sollte, hatte dann aber nichts mehr gehört?
Anthony: Wir haben es Ende 2014 aufgenommen, das stimmt.
Jared: Aber wir wollen nichts überstürzen und uns die Zeit nehmen, um die notwendigen und richtigen Schritte zu machen.
Sean: Wir sind sehr stolz auf unser Baby!
Jared: Ja, vor allem repräsentiert es das erste Mal wirklich, was wir vier live machen und da wollen wir einfach keine Fehler machen
SdR: Wir sind schon am Schluss des Interviews angekommen: Habt ihr noch irgendwelche Tipps für junge MusikerInnen?
Paulie: frische Socken, Unterwäsche und Deo sind wirklich wichtig auf einer Tour! [lacht]
Jared: Vielleicht sollten wir damit anfangen ihnen zu raten, ihr Instrument wirklich zu lernen?!
Paulie: Ja, das stimmt. Und es ist wirklich wichtig, jeden mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen und einfach danke zu sagen. Das betrifft Bands, die dir die Möglichkeit geben mit ihnen aufzutreten, Leute, die sich kümmern wie das Management, Barkeeper, das Team vom Label ...
Anthony: Vor allem die Leute von der Tonabnahme und die Mischer auf Konzerten!
Paulie: ...und auch die Bandkollegen, die man nicht einfach unterbrechen sollte. [lachen]
Anthony: sorry Paulie! [lacht]
Jared: Für mich war es einfach total wichtig, intensiv Zeit reinzustecken, um mein Instrument zu lernen und Songs zu schreiben. Mit deinen Freunden kannst du dich immer treffen, aber wenn du wirklich Musik machen und in einer Band spielen willst, dann musst du dich dazu kriegen, viel, viel Zeit zu investieren. Hätte ich das nicht gemacht als ich jung war, dann würde ich jetzt nicht hier in Berlin sitzen.
Sean: Und klar, bevor man Touren und Konzerte plant, braucht man Songs, jede Menge Songs. Also schließt euch in euer Zimmer ein und schreibt drauf los!
SdR: Vielen Dank Jungs, dass ihr euch die Zeit genommen habt und euch weiterhin alles Gute! (cw)