So langsam flattern die ersten Festival-Bestätigungen ins Haus. Neben den Bierpreisen und den sanitären Anlagen spielt bei der persönlichen Auswahl natürlich das Line-Up eine Rolle. Für alle, die letztes Jahr noch nicht in den Genuss gekommen sind, hat Jan Schütz hier einen ganz heißen Tipp für euch:
Die Band The Gaslight Anthem oder auch liebevoll TGA steckt hierzulande zwar nicht mehr in den Kinderschuhen, für die Erwachsenenliga reicht es aber auch noch nicht ganz. Ihrem beim ersten Besuch 2008 gesteckten Ziel, die Größe der Venues stetig zu verdoppeln, sind sie bisher allerdings treu geblieben. Immerhin haben sie sich auf ihrer jüngst beendeten Europatour mit Chuck Ragan schon an die 5000er-Hallen heran gearbeitet (und sogar ausverkauft).
Arbeit ist das richtige Stichwort, um eine Band wie The Gaslight Anthem treffend zu umschreiben. Seit ihrer Gründung im Jahr 2005 haben Sänger Brian Fallon, Gitarrist und St. Pauli-Fan Alex Rosamilia, Bassist Alex Levine und Drummer Benny Horowitz bereits drei Alben und eine EP auf den Markt geschmissen. Zu Hause sind die vier Rocker in der Kleinstadt New Brunswick, im US-Bundesstaat New Jersey. Auch das passt wie Faust aufs Auge. Der Nachbarstaat New Yorks war und ist bis heute stark industriell geprägt und bietet daher idealen Nährboden für Geschichten aus dem tristen "blue-collar"-Alltag, wie Sänger Fallon sie schreibt.
Der Soundtrack zu diesen Geschichten könnte dabei als eine wilde, aber gut austarierte Mischung aus altem Punkrock, Hardcore, Rockabilly, Folk und Soul beschrieben werden. Irgendwie so jedenfalls. Dabei achtet die Band stets auf die Tanzschuh-Kompatibilität ihrer Stücke. Fragt man nach ihren musikalischen Einflüssen, so bekommt man unisono den Namen Hot Water Music zu hören. Daneben tauchen Punkrock-Institutionen wie Social Distortion oder Bouncing Souls, aber auch Soul-Legenden wie Marvin Gaye und Otis Redding auf. Und dann gibt es da noch eine besondere Verbindung mit ihrer Heimat. Als entferntere Vertreter des so genannten "Jersey Shore"-Sounds teilen sie sich die Ehre mit einem anderen Sprössling dieser Gegend: Mr. Bruce Springsteen. Nicht nur, dass Frontmann Brian Fallon ein paar Blocks vom Elternhaus des amerikanischen Ausnahmesongwriters aufgewachsen ist. Dessen Name geistert auch immer häufiger als wichtigste Referenz durch die Presse – ohne auf Protest seitens der Band zu stoßen. Und auch "The Boss" selbst sieht Parallelen zwischen ihm und dem inoffiziellen Nachwuchs. Zusammen gespielt haben sie auch schon mehrmals, u.a. am 27. Juni 2009 beim legendären englischen Glastonbury-Festival.
Geprägt wurden Fallon & Co. genau wie Springsteen vor allem durch das schroffe, graue Arbeiterklima des Industriestaats New Jersey. Dieses bildet den Kern der Musik von TGA: Geerdete, kraftvoll-schnelle Arrangements mit ehrlichen, gefühlvoll-melancholischen und teilweise autobiographischen Texten mitten aus dem (Arbeiter-) Leben. Es geht um alte Autos und Hemdsärmligkeit; um gesellschaftliche Underdogs, durchzechte Nächte und unerfüllte Liebe. Mit seiner rau(chig)en Stimme versetzt Fallon den Zuhörer selbst im Hochsommer innerhalb von Sekunden in eine heruntergekommene, verrauchte Kellerkneipe – und erzeugt dabei Sehnsucht ganz ohne Pessimismus.
Nach ihrem 2007er Debüt "Sink or Swim" kam bereits ein Jahr später der Nachfolger "The '59 Sound" auf den Markt und heimste bei den Jahres-Top 50 des "Visions"-Magazins gleich die Bronzemedaille ein. Im letzten Sommer haben die Jersey-Punker mit ihrem jüngsten Output "American Slang" das Triple voll gemacht. Und neue Aufnahmen sind schon für Herbst dieses Jahres angekündigt. Zu erzählen gibt es scheinbar und glücklicherweise genug.
Auf der Bühne wird man The Gaslight Anthem 2011 nach jetzigem Stand wohl nur vereinzelt sehen können. Neben Rock am Ring/Rock im Park wird das Quartett bei Konzerten in Hamburg und Dresden auf der Bühne stehen. Hinzu kommt ihr Support für die Sommertour der wiedervereinigten Blink 182 in der Berliner Wuhlheide. Und Berlin ist schließlich immer eine Reise wert. (js)