Unsere Autorin Lale Sabchi ist verwirrt: Der Musiksender MTV war eines Tages nicht mehr auffindbar. Hatte ihre Mutter mal wieder mit der Fernbedienung gespielt und die Kanalordnung durch ein beherztes "Reset" gekillt? Mama war schuldlos, aber warum bitte stand bei "My Super Sweet Sixteen" plötzlich das VIVA-Logo in der Ecke? Dieser Sache musste sie auf den Grund gehen, und die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: MTV gibt’s nur noch auf Pay-TV!
Soweit, so schlecht. Wie es aussieht, liegt der Hund in der jahrelangen Konkurrenzstellung der beiden Musiksender begraben: VIVA war seit 1993 kostenfrei im TV zu empfangen. MTV Europe existierte zwar schon lange (seit 1987), wurde aber nur aus London ausgestrahlt und war bereits ab 1995 erstmals kostenpflichtig. VIVA war demnach schon als Free-TV-Sender etabliert, als MTV 1999 ebenfalls auf die regionale Schiene umsprang, und von nun an aus Berlin auch kostenfrei sendete.
Die Mission von MTV hieß: VIVA so gut es geht zu verdrängen! Und wirklich, im Laufe der Jahre eroberte MTV Germany immer mehr Marktanteile, war bald gleichauf mit VIVA. Gleichzeitig wurde auch immer mehr Kritik an VIVA laut. Der Musiksender geriet mehrfach in die Schlagzeilen, als beispielsweise bekannt wurde, dass bevorzugt Musikvideos der Plattenfirma Universal gespielt wurden. 2005 wurde VIVA von Medienwächtern ermahnt, da teilweise mehr als 18 Minuten Werbung pro Stunde liefen, obwohl nur maximal 12 Minuten rechtlich erlaubt waren. Im gleichen Jahr schlug die MTV-Muttergesellschaft zu. Der amerikanische Medienkonzern Viacom vereinnahmte VIVA. Nach der Übernahme sollte MTV nun hauptsächlich männliches Publikum ansprechen, was z.B durch Sendungen wie "Pimp My Ride" und "Jackass" erreicht werden sollte. Komplementär dazu wurde VIVA auf das weibliche Publikum abgestimmt (u.a. "America's Next Topmodel" oder "Virgin Diaries"). Der große Erfolg für VIVA blieb jedoch aus.
Am 5.10.2010 wurde von MTV Networks bekannt gegeben, dass MTV Germany nur noch (oder besser gesagt wieder) im Pay-TV und mit "vorab exklusiven Inhalten und Premieren" zu empfangen sein werde und VIVA dessen Frequenz im Free-TV übernehmen sollte. Genau dies geschah dann am 01.01.2011 um Punkt 6:00 Uhr morgens. Viacom erhoffte sich durch diesen Wechsel die Verbesserung des wohl immer noch dürftigen Marktanteils des Musiksenders VIVA.
Mit neuem Senderlogo, neuem Design, größerem Musikvideo-Bildformat und von MTV übernommenen Sendungen, wie "Family Guy", "Jackass" oder "Futurama" sind die Marktanteile von VIVA tatsächlich gewachsen. MTV Networks gab in einer Presseinformation im März 2011 an, dass die Anteile auf 2,2 Prozent gestiegen seien, was einem Zuwachs von 17 Prozent entspricht. Kunststück, denn welchen Musiksender soll der Normalsterbliche denn auch gucken, wenn er kein Pay-TV besitzt...?!
Fraglich bleibt allerdings, wie lange Musiksender generell noch erhalten werden können, denn das Internet mit den unzähligen Musik- und Musikvideoplattformen ist ein großer Konkurrent für das Musikfernsehen. MTV selbst bezeichnet sich bereits als "Jungendsender", das Programm besteht mittlerweile fast ausschließlich aus Dokusoaps und Zeichentrickserien. Mal sehen, was MTV und VIVA in Zukunft alles anstellen, um präsent zu bleiben... (ls)