Was dabei heraus kommt, wenn Schauspieler ein Mikro in die Hand nehmen, ist nicht immer erfreulich. Das weiß auch Jan Schütz und stellt gleich die Frage: Sollten unsere Kamera-Helden es lieber alle bleiben lassen? Einige ganz bestimmt, andere auf gar keinen Fall. So wie Jared Leto. Der Schauspieler (u.a. "Alexander", "Requiem For A Dream") und sein Bruder Shannon ziehen seit 1998 den Karren erfolgreich aus dem Dreck. Ihr Pferd oder besser ihr Raumschiff hört auf den beschwörenden Namen "Thirty Seconds To Mars". Unterstützt wurden Sänger und Gitarrist Jared und Schlagzeuger Shannon dabei von verschiedenen Mit(st)reitern, die im Laufe der Jahre kamen und gingen. Aktuell sitzt Bassist und Keyboarder Tomo Milicevic als dritter Mann im Cockpit.
Seit ihrem selbstbetitelten Silber-Debüt und den Anfängen als Support für u.a. Incubus oder Audioslave hat die Band ihre einstigen Wegbereiter längst eingeholt. Die erste eigene offizielle US-Tour im Jahr 2006 war die Angriffsfanfare. Die Bandbiographie ist seitdem vollgeballert mit Superlativen vom Kaliber "first band/song to ever..." und Veredlungen in allen Legierungen. So musste "The Kill" vom 2005er Platinalbum "A Beautiful Lie"nach einem Jahr Daueraufenthalt aus den US-Billboard-Charts zwangsdeportiert werden. Aber wir wollen euch hier nicht mit irgendwelchen Listen langweilen. Für alle, die dennoch auf Details stehen – bitte schön!
Nach dreijähriger Abstinenz sind die drei Marsianer nun zurück auf der Erde.
Ihr neues, drittes Mitbringsel trägt den Namen "This Is War". Falscher Pathos? Mitnichten! Die 12 Songs auf dem Album oder besser das Werk als Ganzes gehen in der Tat klar als Kriegserklärung durch. Egal ob an die voranschreitende Umweltzerstörung – die Band betreibt seit ihrem 2005er Video "A Beautiful Lie" eine gleichnamige, engagierte Internetseite – oder doch eher als Reaktion auf die zurückliegenden inneren Querelen in den letzten Jahren. Man weiß es nicht. Fest steht nur, dass sie ihr weißes Fähnchen mindestens fürs Erste wohl getrost stecken lassen können. Kapitulieren tun die anderen. Kaum ein Sender, der die erste Single "Kings & Queens" seit Erscheinen Ende letzten Jahres nicht in Dauerrotation hat und Kritiker-Armeen, die mit Worten wie "epischer Rock", "Opus" oder "künstlerischer Triumph" demütig zu Kreuze kriechen.
Da wir uns gern unser eigenes Bild machen, haben wir uns ebenfalls in die akustische Schlacht gestürzt. Zugegeben, es hat uns nicht gleich mit der ersten Angriffswelle erwischt. Aber letztendlich blieb auch uns nur noch der Rückzug. Was da an Geschützen aufgefahren wurde, war einfach zu mächtig: Mantraartige Mönchsgesänge wie im Opener "Escape" oder dem Outro "L490", Trommelwirbel, ein Harvard-Streichorchester ("Hurricane", "This Is War", "Kings & Queens") dazu Synthiesounds, die an Camouflage oder New Order erinnern ("Stranger In A Strange Land", "Night Of The Hunter") und atemberaubende Percussion-Elemente – das ist "This Is War". Hymnenartige Gesangsausbrüche bei "Closer To The Edge", aber auch mitunter akustische Einlagen, die sich auf die eindringliche Stimme Letos konzentrieren wie bei "100 Suns" – das ist ebenfalls "This Is War".Und überall, aber passenderweise besonders bei "Vox Populi" als tragendes Element die Chorstimmen des "Echolons" – der Fan-Armee der Band. Ursprünglich als einmaliges Aufnahmeexperiment in einem Club in Hollywood gedacht, fanden sich letztendlich über 100.000 Stimmen von Fans aus aller Welt auf der Platte wieder. Aufgenommen während acht Fantreffen, so genannter Summits, rund um den Globus. Gibt es eine bessere Art für eine Band danke zu sagen?
Das ist aber gleichzeitig auch der einzige Kritikpunkt an der Platte. Vielleicht wäre ein kleines bisschen weniger Brimborium hier und ein Tick weniger technische Effekte dort angebracht gewesen. Denn ohne die Gesangs- und Spielkünste der Bandmitglieder in Frage stellen zu wollen: Die Platte entwickelt ihre Atmosphäre zu einem erheblichen Teil eben aus den erwähnten Zusatzelementen. Wie oft bekommt man schon einen Sound, als stünde man im Stadion, während man doch nur auf dem Sofa hockt? In Interviews sagen die Bandmitglieder, dass die Aufnahmen einen dringenden Wandlungsprozess darstellten, der die drei fast das Leben gekostet hätte. Glaubt man der Kritik, könnte das Ergebnis die Band gleich wieder zurück ins All katapultieren – und zwar höher und weiter denn je. Wir sollten ihren Besuch auf der Erde also so lange genießen wie wir können. Denn länger als auf 'nen Kaffee und ein paar Plätzchen werden sie wohl nicht bleiben.