SdR-Bildermacher Patrick Dietl stellt die feuilletonistische Sinnfrage über Kultur und Krampf. Anlass war das Cover des neuen KREATOR-Albums, und herausgekommen ist eine Generalabrechnung mit Designern und Kunden. Und darüber kann man ja auch mal reden:
Designempfinden ist erlernt. Jeder Mensch ist geprägt von seiner Umgebung und seiner Erfahrung mit Formen und Funktionen – also mit Design. Dass ein Kleinkind noch nicht total logisch den Wasserhahn in die richtige Richtung dreht, mag auch daran liegen, dass es einfach noch nicht die richtige Deutung der Farben gelernt hat. Dass ein Metaller seine neue Vinylplatte trotz -18 Dioptrien einwandfrei erkennt, wird wohl ebenfalls am erlernten Design liegen. Seit den den frühen 80ern hat sich da nämlich nichts mehr groß geändert. Oder scheint das nur so? Kann es sein, dass die Welt sich so viele viele Male weitergedreht hat und die Grafikdesigner in diesem Genre nichts, aber wirklich gar nichts Neues bringen? Oder liegt es einfach an der Erwartungshaltung der Konsumenten, dass sich die Herren Kunstschaffenden immer wieder auf Altbewährtes berufen?
Wes Benscoter hat mit dem Titelbild zum neuen KREATOR Album "Phantom Antichrist" auf jeden Fall nichts geschaffen, was als neu und aufregend durchgehen könnte. Aber trotzdem löst es sicher bei den meisten Fans ein wohliges Gefühl aus. So ähnlich wie das weichgelegene Kissen auf der Couch oder die Jeans, die einfach cool ist, so wie sie ist! Das Cover ist jedenfalls doch nur wieder ein zusammengewürfelter Haufen von Zombies, Totenschädeln und einem düsteren Wolkenhintergrund, oder nicht?
Airbrushkunst aus der Retorte – einwandfrei gemacht, überhaupt keine Frage, aber Style und Linienführung sind einfach nicht der Bringer. Aber das ist den KREATOR-Fans vermutlich egal. Wenn ich mir andere Arbeiten von Wes anschaue, stelle ich fest, dass er bereits deutlich Zeitgemäßeres auf die Beine gestellt hat (Cover Art für Autopsy/Deceased/Mortician). Es spricht also einiges dafür, dass er exakt das gebracht hat, was die Band ihm aufgetragen hat. Innovation geht jedenfalls anders. Andere Cover Art-Kollegen, wie Derek Riggs (Zeichner von Maidens Eddie) experimentieren mit neuen Techniken wie 3D – ist das zu neu für Metal? Oder zu neu für den Massenmarkt "Heavy-Metal-Million-Dollar-Empire-of-the-Hell" & Co.KG ?
Ich würde mir ein bisschen mehr Mut wünschen, auf dass sich die Szene auch mal einen Schritt aus der Kutte traut! Aber Vorsicht bei zu herben Farbexperimenten: Die Band Rainbow, 1975 von Legende Ritchie Blackmore gegründet, tat sich Zeit ihrer Existenz wohl sehr schwer mit Ihrem Cover Design – könnte daran liegen, dass die Rainbow Flag bereits in den meisten Köpfen in einer anderen Schublade abgelegt war...
Zum Schluss einen kleinen Gruß an die Generation Download. Wenn Ihr gerade überhaupt keinen Schimmer habt, was hier für ein Thema am Start ist – es geht um diese Bildchen die damals auf den Platten und CDs immer drauf waren, ya know?!!?
Also, Kultur oder Krampf? (pd)