Wie klingt Rockmusik? Darüber könnte man endlos diskutieren, ohne auf ein eindeutiges Ergebnis zu kommen. Und wie sieht Rockmusik grafisch aus? Auch darüber gibt es mehr Meinungen als Reissäcke in China, und das, was man zu sehen bekommt, ist nicht immer ganz frei von Grauen. Patrick Dietl hat den Blick gewagt.
Tico Torres, im Hauptberuf Drummer bei Bon Jovi will mit seinem Kinderlabel "Rock Star Baby" schon die Allerkleinsten auf Spur bringen. Ob Kinder allerdings ernsthaft einen angemessenen Rockeinfluss durch Totenkopfmuster auf ihrem Plastiktellerchen bekommen, ist fraglich. Dass moderne Mamas ihren kleinen Ro(ck)tznasen ein Image andichten wollen, das durch Torres' Babyshirts (die natürlich auf gar keinen Fall dreckig werden dürfen!) definiert wird, ist dagegen schon wahrscheinlicher. Und dann gibt’s doch auch diese seltsamen kleinen Kutschen der Marke Suzuki, die seit einigen Jahren mit ihrem quasi implementierten Rockstargehabe daherkommen. Allerdings lässt uns die fiese Diddlmaus, die häufig und absolut nicht rockgerecht am Rückspiegel baumelt, doch milde am vermeintlich coolen Selbstbild der Marke zweifeln.
Rock ist eine Designmarke geworden. Nicht beeinflussbar schwirrt sie durch unsere Werbewelt und lässt die wahren Rockfans wie eine Horde modischer Mitläufer erscheinen. Heutzutage erschrickt sich nämlich keine Oma mehr vor einem echten Mattenträger mit AC/DC-Shirt. Schließlich hat vermutlich jede Pflegerin im Altenheim kleine Sternchen auf dem Unterarm tätowiert. Das lässt uns dann am Sinn und Unsinn des Rockdesigns nicht einmal dann zweifeln, wenn im Corsa fleißig auf Katy Perry "gerockt" wird. Oder?
Es gab aber auch schon immer Zeitgenossen, die am Phänomen Rock ein eher optisches als musikalisches Interesse hatten. So war der jüngst verblichene Schauspieler Dennis Hopper, der in den frühen Siebzigern begonnen hat, verschiedene Stile der Rockkultur in ihren Facetten fotografisch festzuhalten, ein Vorreiter des visuellen Rocktrends. Als "Easy Rider" und Ikone in der Rock- und Bikerkultur, dürfte er zumindest älteren Semestern spontan als Vertreter des Rockdesigns ins Gedächtnis hüpfen. Ob das damals kommerziell gewollt oder einfach nur zeitgemäß war, ist aber aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen.
Wenn jemand nicht genau weiß, wer Hedi Slimane ist, ist das zwar schade, aber vor allem ein Beleg dafür, dass es nicht mehr so wichtig ist, wer wofür und warum steht – Hauptsache es sieht gut aus und lässt sich käuflich erwerben! Just jener Hedi Slimane hat als Modedesigner nämlich zu verantworten, dass in den frühen Nullerjahren Menschen auf der ganzen Welt angefangen haben, enge Jeans zu tragen. Seine persönliche Neudefinition des Rockdesigns ließ sich für die Masse jedoch nur schwer umsetzen, da nicht jeder in so einer Klamotte einen harten Auftritt hinlegen konnte. Die meisten sahen und sehen damit einfach nur dämlich aus. Klaus Lagerfeld hat extra seinen Körperumfang aufs Wesentliche reduziert, um diese Klamotten stilgerecht auftragen zu können. Form follows function!
Dieser Stil, "influenced by Rock", der hoffentlich bald mal ein eigenes Stockwerk in der Rock'n'Roll-Hall of Fame bekommt, gehört seit den Kindheitstagen der Rockmusik einfach dazu. Lange Zeit nicht beachtet und kommerziell völlig ungenutzt. So wie es in den 70ern Dennis Hopper in ausreichendem Bildmaterial gespeichert hat oder Hedi Slimane als Beobachter und Agitator für die Neuzeit getan hat. Sein Bildband "Stage", in dem vor allem Rocker der Neuzeit abgelichtet sind, lassen uns nicht nur Rockdesign erkennen, sondern helfen auch, diesen zu definieren. Und das völlig unkommerziell – soweit das heutzutage überhaupt noch möglich oder wichtig ist.
Ein Gestalter mit großem Einfluss auf die Designwelt im Allgemeinen, den ich hier bewusst außen vor gelassen habe, ist Andy Warhol. Seine grafischen Arbeiten sind auf jeden Fall seiner Zeit sehr weit voraus gewesen und werden bis heute gerne von der Design- und Modewelt interpretiert. Und viele WG-Küchen ziert nach wie vor das zwar komplett unrockige aber hochkommerzielle Tomatosoup-Plakat von Andy. Doch würde ich seine Designs eher in einer etwas anderen Schublade verstauen: Sein größter Einfluss dürfte der Punk-Rock-Szene zuzuordnen sein. Er hat zwar ganz klar seinen Sitz in der "Grafic League of Rock Design" – begründet mit Arbeiten für die Rolling Stones (Sticky Fingers) und Velvet Underground (WhiteLight/White Heat) – doch sein Anliegen war eher ein Design, das "in Bewegung" bleibt.
Wer ist also heutzutage nicht - influenced by Rock? (pd)