Seit 2010 ist es still geworden um HIM: Das Plattenlabel trennt sich von der Band, die Homepage wird ohne Vorwarnung und Erklärung abgeschaltet, es gibt kaum ein Lebenszeichen. Doch Ende 2012 erscheint die Compilation "XX – Two Decades of Love Metal", und 2013 soll mit neuer Plattenfirma endlich nach vielen Verzögerungen (leider auch der Krankheit von Schlagzeuger Gas Lipstick geschuldet) das achte Studioalbum der Finnen kommen. "Tears On Tape" soll die Platte heißen. Grund genug für unsere Reporterin Corinna Würzberger, einmal auf 20 Jahre Bandgeschichte zurückzuschauen:
Dabei sind die Anfänge von HIM gar nicht so genau festzumachen. Ab 1993 spielen die Kernmitglieder Ville Valo (Frontmann und Sänger), Mikko "Linde" Lindström (Gitarre) und Mikko "Migé" Paananen (Bass) erstmals zusammen. Ende 1995 haben HIM ihren ersten offiziellen, nach eigener Aussage "fürchterlichen" Auftritt. 1996 folgt eine EP, danach 1997das Debütalbum "Greatest Lovesongs Vol. 666", das in Finnland schon sehr erfolgreich, in Deutschland etwas langsamer startet. Der wahre Durchbruch gelingt den jungen Finnen jedoch erst 1999 mit der Single "Join Me (In Death)". Der Titel schießt in Finnland und Deutschland auf Platz eins der Charts, genau wie das gesamte Album "Razorblade Romance", das Platin und mehrfach Gold erntet. Der Erfolg in den USA lässt noch ein wenig länger auf sich warten, denn erst "Dark Light" (2005) erscheint dort offiziell. Als erste finnische Band werden HIM in den USA mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Damit haben sie es endgültig geschafft!
Ville Valo, Stimme und kreativer Kopf der Band, spielt bei HIMs Aufstieg eine zentrale Rolle. Bei ihm keimt schon früh der Wunsch, nichts anderes als Musik zu machen. Dafür arbeitet das Multitalent hart. Vor und während seiner Zeit bei HIM hat Valo bereits in rund 20 Bands mitgewirkt. Zudem verkörpert er das Gefühl und die Melancholie der Band, avanciert schnell zum Mädchenschwarm und Sexsymbol. Dabei fühlt sich der eigentlich schüchterne Frontsänger in dieser Rolle nicht wirklich wohl. Ständiger Erfolgsdruck, monatelange Tourneen durch die ganze Welt und das Hetzen zwischen Presseterminen, Konzerten und Tonstudios scheinen ihm zusätzlich zu schaffen zu machen. Hinzu kommt ein gewisser selbstzerstörerischer Lebenswandel, zu dem Zigaretten (trotz starken Asthmas) und Alkohol in großen Mengen gehören. Nach einem erfolgreichen Entzug 2007 scheint Valo seine Dämonen besser im Griff zu haben, viele Berichterstatter beschreiben ihn als "frischer" und "aufgeräumter". Trotzdem verstummen nicht alle negativen Stimmen in den Medien. Da wird Ville Valo nun als Langweiler dargestellt und belächelt. Dazu Ville nach seinem Entzug: "In den letzten 15 Jahren hatte ich mehr unglaubliche Partys als andere in ihrem ganzen Leben." Das sollte doch eigentlich reichen, oder? Abgesehen davon, dass sein Imagewandel eigentlich völlig irrelevant ist, wenn es um musikalische Fragen geht. Und solange es keinen negativen Einfluss auf die Musik hat, lasst den Mann doch einsam durch die finnischen Wälder spazieren und sich freuen, dass er das Fahrradfahren wieder für sich entdeckt hat – auch wenn das nicht ins handelsübliche Rockstarimage passt. Musikalisch tut es Villes Liveauftritten jedenfalls gut, dass er seine Laster besiegt hat. Und auch das neue Album scheint wieder härter zu werden, was durchaus positiv zu bewerten ist.
Musikalisch gelten HIM als die "Godfathers of Love Metal". Charakteristisch hierfür sind die Vermischung von Pop- und Metalelementen mit ihrer dunklen Melancholie. Gemeint ist damit jedoch nicht etwa eine depressive Selbstmordstimmung, die der Band oft unterstellt wird. Ganz im Gegenteil wird die Schönheit des Lebens durch das Wissen um Vergänglichkeit betont. In wenigen Fällen übertreibt es Valo aber auch mit den epischen Gefühlsausbrüchen, am deutlichsten zu hören in dem zuletzt erschienenen Album "Screamworks: Love in Theory and Practice". Doch "Love Metal" oder "Venus Doom" klingen überwiegend hart, auch wenn sich trotz allem immer wieder Balladen unter die Tracklists mischen.
Fazit aus 20 Jahren: HIM bedeutet Hingabe mit Haut und Haaren im positiven und negativen Sinn, tiefe Gefühle mit einer Prise Sex, düstere Melancholie und zugleich Wertschätzung des Lebens mit all seinen dunklen und hellen Facetten. Das alles gepaart mit deutlichen Gitarren- und Bassriffs, die zum Tanzen und Headbangen einladen. Oder zum Träumen und Dahinschmelzen. (cw)