Es ist Montag morgens, dein Kopf ist noch schwer von der letzten Kneipentour. Plötzlich reißt dich ein erschütternder Gitarrenriff aus deinem Halbschlaf. Jeder vorher dagewesene Ton wird aus dem Raum verbannt. Der Lärm geht in eine unglaublich voranschreitende Melodie über, begleitet von einer rauhen Männer-Stimme. Nach dem ersten Schreck, bekommst du plötzlich das unbändige Gefühl, etwas machen zu wollen, das eingespielte Leben zu durchbrechen. Was ist das? Jemand hat dir soeben die neue Scheibe der Mainzer Rocker Pinksnotred in die Anlage gelegt. Die erste Nummer "Automatic" von ihrem Debüt-Album "Remedy" ist ein bodenständiger Rock-Song, der jeden Langschläfer – und auch Bettina Taylor – aufrüttelt.
Mittlerweile sind Doelke (Vocals), Gurp (Gitarre, Gesang), Phillip (Gitarre), Stefan (Bass) und Simon (Schlagzeug) zu regionalen Größen herangewachsen, die es sich erlauben können, ihr Musik-Video mit Pappkartons auf dem Kopf zu drehen, ohne dabei lächerlich zu wirken. Seit sie im Jahre 2000 zusammengekommen sind, wollen sie mit ihrem Alternative-Rock "Geschichten erzählen und von der Macht des Pogo-Pit", so ihre Myspace-Seite. Wer das Debüt der fünf Musiker kennt, weiß vor allem, warum sie bei Events, wie dem Highfield Festival, Mengen begeisterten. Mit ihrem Hit "Ramona" (vom Soundtrack der Trash-Komödie "Videokings") geht die Platte genauso fetzig weiter, wie sie angefangen hat: Ein punkiger "Mädchen-Name-Rock-Song", der zwischen kraftvollen melodischen Gitarren und Geschrei wechselt, die sie auch gekonnt bei "Witchcraft" oder "Masterplan" einsetzen. Bei allen Liedern hält das dominante Schlagzeug den Körper in Bewegung. Pinksnotred sind jedoch keine reinen Headbanger, die einfach nur hirnlos abrocken wollen. Obwohl ihr Debütalbum von zahlreichen Krachern geprägt ist, versteckt sich hinter ihren bildhaften Texten ein ungeahnt tieferer Sinn. So ist "Pearls & Glitter" mit Doelkes Megaphon-Stimme zwar eine schlichte Rocknummer, doch auch eine Absage an all die Oberflächlichkeiten unserer Zeit. Die Gesellschaftskritik ist zusätzlich mit sinnlosen Wortspielen wie "Hardy Party" garniert – so ernst nehmen wir unsere Message dann doch nicht.
Ernster und vor allem ruhiger wird es dennoch am Ende von "Remedy", denn hier liegen auch die ungeahnten Glanzstücke der Scheibe. Eine wunderschöne, klare Gitarren-Melodie und Doelkes tiefe Stimme, die übrigens unglaublich vielseitig ist, stimmen melancholisch. "Counting Steps" gönnt dem Hörer eine Verschnaufpause und ruft tiefe Sehnsucht hervor, ohne dabei schnulzig zu wirken. Besonders die Electro-Spielereien am Ende machen das Stück einzigartig. "Electric Life ist mit einer ähnlich entspannt-melancholischen Stimmung gespickt, lebt aber mehr vom verletzlichen Gesang und verzerrten Gitarren.
Die Mainzer Jungs haben sich ihr erstes Baby schwer erkämpft. Zeitweise mussten sie die Produktion ihres Albums sogar selbst übernehmen und kamen so mit den guten und schlechten Seiten des Musik-Business zum ersten Mal in Berührung. Das Publikum belohnt aber ihre Mühen: Für die Release-Party wechselte man selbstbewusst in eine größere Location und "Automatic" wurde von den Zuschauern bei MTV-Rockzone zum besten Rockvideo gewählt. Diese Höhen und Tiefen scheinen sie auch mit ihrem Album aufgenommen zu haben. Nach der melancholischen Entspannungsphase schließt "Remedy" mit der überraschend positiven Melodie und dem fetzigen Riff von "The Returning" ab. Zurück bleibt einfach gute Laune.
Pinksnotred erwarten rosige Zeiten. Sie haben ein solides Rockalbum geschaffen, das in Sachen Experimentierfreude zwar durchaus ausbaufähig ist, aber trotzdem mit seiner ungehemmten Energie beeindruckt. "Remedy" ist authentisch und rockt vor allem jedes Festival. Die Jungs sind ihrem Anspruch gerecht geworden. Sie haben "Geschichten erzählt und von der Macht des Pogo-Pit" – was immer das auch heißen mag.