Ob Slut tatsächlich klingen wie die Rolling Stones auf der Suche nach indischen Religionen? Andreas Babiak geht dieser kühnen These nach und hat sich die Scheibe angehört:
Die fünf Jungs aus Ingolstadt sind mit ihrem Album "Alienation" nach fünf Jahren (wir streichen mal das Projekt mit Juli Zeh) wieder in den Plattenläden aufzufinden. Und um beim Zahlenspiel zu bleiben, behalten wir uns die Zahl fünf mal im Kopf.
Die Musik ist von Beats geprägt, einer rockigen Gitarre und der wiedererkennbaren Stimme von Sänger Christian Neuburger. Alienation ist ein wenig düster, ein wenig high. Ein wenig monoton und ein wenig schrill. "Broke My Backbone" ist ein exemplarischer Song von ihrem achten Album: ein Reiben, ein Treiben, der Gesang dazu, wenig richtige Musik, dafür eher Klangfarben in denen das Werk getaucht ist. Durchaus elektronisch. Vor allem minimalistisch. Der Titelsong "Alienation" ist eine ruhige Nummer, ein Lied, dass in eine bestimmten Farbe getaucht wurde. Aber ob es so dunkel ist? Ein trister Ort, an dem die Jugend nicht bleiben will, an dem es viele wegtreibt, den man mag oder eben nicht. Und dann geht es mit den Stones oder den Beatles in den Regenwald? Ein wenig. Orientale Einflüsse, benebelte Stimmung, ein Basar über den man läuft, auf dem man vieles aufnimmt und hineingetaucht wird. Ja, das ist "Silk Road Blues". Aber dieser kurze Ausflug ins Experimentelle ist schnell vorbei, denn es folgt eine richtig gute Indie-Rocknummer: "Remote Controlled". Gut, sie klingt ein wenig auf Vintage getrimmt, aber das ist schon in Ordnung. Slut machen das, wofür man sie kennt und schätzt: Eingängige Musik, ein wenig Melancholie, kein Mainstream-Scheiß. Auch das folgende Lied "Deadlock" klingt nach nettem Bier in der Indie-Kneipe.
Aber warum klingt das Album an vielen Stellen so unterschiedlich? Auch dafür gibt es eine Erklärung. Den fünf Musikern standen fünf (!) Produzenten zur Seite. Das mag experimentell wirken, kann aber auch heißen, dass sie einfach nicht wussten wohin mit ihren Ideen. Tobias Levin, Olaf O.P.A.L., Mario Thaler und Oliver Zülch produzierten jeweils zwei Songs, Tobias Siebert sogar vier. Sie wollten mit "unterschiedlichen Perspektiven" ans Werk gehen und sie brauchten dafür eine "heterogene Herangehensweise", sagen Slut selbst über die Platte. Natürlich. Aber man möge ihnen diese Worte nachsehen, denn sie gelten immer noch als eine der wenigen guten englischsprachigen Indiebands aus unserem schönen Land. Kommerziell nutzte allerdings auch die Zusammenarbeit mit den vielen Produzenten nicht viel, doch immerhin erreichte das Album Platz 41 der Charts.
Produzent Zülch, der sonst mit den Ärzten und den Sportfreunden zusammenarbeitet wird es egal sein. Er produzierte "Next Big Thing", einer der groben Nummern auf der Platte, die man sich aber durchaus auch im Radio vorstellen kann. Hier wurde wenig rumgespielt, die Musik ist Musik, keine Farbe, eher Garage und das wofür man Slut mag.
Man kann sich sicher sein, dass Slut mit dieser durchaus guten Scheibe zufrieden sind. Ob es beim nächsten Album aber wieder fünf Produzenten sein werden, scheint fraglich. Vermutlich lassen sie sich nicht mehr ganz so viel Zeit und werden weniger kreativen Beistand brauchen. Zumindest feiert die Band im nächsten Jahr ihr 20-jähriges Bestehen und wird es sich sicher nicht nehmen lassen, die Fans mit der ein oder anderen neuen Nummer zu überraschen. Und solange man immer erkennt, dass Slut drinsteckt, wo Slut draufsteht, werden Indierockliebhaber auch immer ein Herz für die Ingolstädter haben – egal mit wie vielen Produzenten dann gespielt wurde. (ab)