Es war einmal eine Zeit als im Musikfernsehen noch das lief, wofür es erfunden wurde: Musik. Inzwischen sieht's da leider ganz anders aus, findet Jan Schütz und teilt die Einschätzung von Herrn Williams: "Reality Killed The Video Star". Schaltet man heute MTV & Co. ein, bekommt man Shows über verpatzte Teenie-Dates, gepimpte Schrotthaufen oder vier vollen Stunden Wiederholungen von "Verliebt in Berlin" serviert (als wäre einmal nicht schon genug). Und wenn dann doch mal zu normalen Zeiten Musik läuft, dann nur mit schriftlicher Untermalung durch peinliche SMS betrunkener Halbwüchsiger. Ansonsten fristen Musikvideos das gleiche trostlose Dasein wie die grenzdebilen Verkaufsshows für Bauch-Weg-Gürtel und Wischmops. Die laufen nämlich auch ab 2 Uhr morgens...
Erinnert sich überhaupt noch jemand an Sendungen wie "Wah Wah" (VIVA) oder den legendären "Headbanger's Ballroom" (MTV)? Gut, Sendungen wie "MTV Rockzone" lassen auf eine bessere Zukunft hoffen. Aber zum Glück brauchen wir darauf gar nicht zu warten. Denn seit dem 03. September 2009 gibt es QTom, das erste interaktive Musikfernsehen. Interaktives Fernsehen? Das klingt eher nach NeunLive und den eineiigen Big Brother-Twins Jürgen und Alida. Aber statt sich stundenlang die Finger wund zu wählen in der Hoffnung, dass endlich der "Hot Button" zuschlägt, ist das Bedienelement hier die PC-Tastatur bzw. die Fernbedienung. Denn der neue Sender läuft sowohl im Netz als auch auf bestimmten TV-Geräten von Philips und Sony. Wie funktioniert nun das Ganze? Auf der Webseite des Senders laufen nonstop redaktionell aufgearbeitete Musikvideos verschiedener Genres. Zur Zeit gibt es vier Spartenkanäle: Pop, Hip Hop/RnB, Elektro/Dance und natürlich – Rock! Acht weitere Sparten sind in Planung.
Je nach gewähltem Kanal flimmern die passenden Videos dann brav eines nach dem anderen über den Bildschirm – und zwar ganz ohne Klingelton-Werbung! Das Angebot ist dabei wirklich grandios. Von Megasellern wie Metallica oder Muse bis zu eher unbekannteren Bands wie den Dresden Dolls oder den Afghan Whigs ist alles vertreten. Passt einem mal etwas nicht so in den Kram, wird einfach per Knopfdruck vorgespult. Aber der eigentliche Clou sind die persönlichen Feineinstellungen. Mit Hilfe von drei tachoähnlichen Reglern kann man die Gewichtung je nach Geschmack und Stimmung beliebig zwischen Classic/New, Slow/Fast und Insider/Hits setzen und die Playlist damit individuell verändern. Möchte man einen Rundumschlag durch die Rockmusik der letzten zwei Jahrzehnte, lässt man die Regler einfach alle unberührt. So bekommt man in 10 Minuten Videos von Airbourne, Oomph und den Bad Brains zu sehen. Steht man mehr auf die gute alte Zeit, dreht man den Zeiger auf "Classic" und schon serviert QTom gehorsam Perlen wie "Plush" von den Stone Temple Pilots (unter Hits) oder Songs von The Jesus & Mary Chain (unter Insider). Warum allerdings Airbournes "No Way But The Hard Way" ebenfalls als Insider auftaucht, ist mir eher schleierhaft.
Auch QTom ist eben nicht frei von Kinderkrankheiten und bedarf noch einiger Verbesserungen. Zum Beispiel lässt sich über den Info-Button jeweils nur der Interpret und der Titel des gezeigten Videos aufrufen. Zusätzliche interessante Infos wie das zugehörige Album oder das Erscheinungsjahr des Songs fehlen leider bisher. Ein besonderes Bonbon wäre natürlich ein direkter Link zu einem Verkaufsportal, wo man das Werk gleich erwerben kann.
Zudem scheint die Datenbank noch relativ begrenzt zu sein, da sich Videos doch hier und da wiederholen. Wünschenswert wäre auch eine weitere Auffächerung des Kanals in Untersparten wie z.B. Punk, Metal oder Indierock. Für solche Wünsche und Anregungen steht aber auf der Webseite ein Kontaktformular zur Verfügung. Ach so, das Ganze gibt es übrigens "für umme". Das gezeigte Material wird von den Labels zur Verfügung gestellt und die Finanzierung erfolgt über Werbung. Wobei ich davon im Netz noch nichts bemerkt habe (nervige Pop-Ups – Fehlanzeige!).
Fazit: Das Portal mag vielleicht nichts für absolute Genre-Insider sein, aber für diejenigen, die einfach endlich mal wieder ohne das Geschwafel hipper Jungmoderatoren ihre Lieblingsvideos genießen oder neue Musik kennen lernen möchten, ist QTom absolut empfehlenswert.