Sie kommen aus der ganzen Welt, mit ganz unterschiedlichen Träumen und Motivationen – Straßenmusiker in Berlin. Unsere Reporterin Corinna Würzberger hat sich auf die Suche nach ihnen gemacht.
Stolz läuft der kleine Max auf den geöffneten schwarzen Gitarrenkoffer zu. In seiner kleinen Hand hält er fest umschlossen ein 1-€-Stück. Behutsam lässt er es klirrend zu den anderen Münzen fallen. An diesem sonnigen Samstagnachmittag sind einige Menschen ähnlich wie Max' Familie unter der Unterführung am Alexanderplatz stehen geblieben. Eigentlich kein schöner Ort zum Verweilen, heute jedoch lohnt sich das Stehenbleiben. Angelockt wurden diese Schaulustigen von den rockig-melodischen Gitarrenklängen von vier brasilianischen Brüdern, die vor einer riesigen Fast-Food-Werbung Rockklassiker wie Bon Jovi oder R.E.M. zum Besten geben. S.H.O.T. hat es nach Deutschland gezogen, weil man hier freier Musik machen könne als zu Hause, sagen sie. Sie setzen hier alles auf eine Karte und probieren einfach mal, wie weit sie es bringen. Lukrativ ist es allemal: Mit dem Verkauf ihrer eigenen CD verdienen sie auch schon mal 250 € die Stunde.
Auch Eric Wolves kann so seinen Lebensunterhalt bestreiten. Warum steht er mitten auf einer Verkehrsinsel und spielt Gitarre? "Wegen dem Geld!", antwortet er. Berühmt werden gehe so nicht, das müsse man anders angehen. Aber auf diese Weise könne er eben seine Wohnung bezahlen, und ab und an springe auch mal eine Handynummer dabei raus. Da der Berliner Student aktuell Semesterferien hat, steht er fast täglich auf der Straße, sonst ein- bis zweimal die Woche. Dabei wählt er sein Set bewusst nach dem Standort aus. Hier, am Alexanderplatz, spiele er mehr Pop: "Die Leute wollen hier Katy Perry und 'Wonderwall' hören." An der Eberswalder Straße hingegen sei das Publikum alternativer, so dass er mehr Jazz, Blues und eben auch seine eigenen Sachen spielen könne. Auch S.H.O.T. schlagen normalerweise gerne etwas härtere Töne an, doch mit den Klassikern erreichen sie die Vorbeieilenden. Das öffne ihnen die Tür, um weiter auf sich und ihre Musik aufmerksam zu machen.
Eine andere Motivation als Geld verdienen haben Derek and George aus den Niederlanden. Sie reisen gerade etwas herum und spielen an verschiedenen Orten, "just for fun and to enjoy life and the music". Besonders abends mache es Spaß, wenn die Menschen ihre Einkäufe erledigt und einfach mal Zeit haben, sich mit einem Bier zu ihnen zu gesellen und die Musik zu genießen. Gerade Kinder scheinen allgemein sehr begeistert zu sein von den Straßenmusikern. Sie tanzen und klatschen begeistert mit. Bei Derek und George tapst ein kleines Mädchen mitten zwischen die beiden und starrt sie voller Verwunderung an. Als die Eltern nach mehreren Minuten weiter ziehen wollen, fängt sie sogar an zu weinen und tut somit ihren Unwillen laut kund. Für angehende Musiker haben Derek und George noch den Tipp: "Just do it and have fun!"
Die Straßenmusikerszene in Berlin ist vielfältig und unglaublich überraschend. Regen und Hunger treiben mich in Richtung Bahnhof, aber Deva zieht mich in ihren Bann. Ohne Verstärker, alleine mit ihrer einmaligen Stimme und ihrer Gitarre, hat sie eine Menschenmenge um sich geschart und singt kraftvoll "Zombie" von The Cranberries. Da muss ich einfach stehen bleiben! Noah, Mattes und Meli haben extra 65 € gezahlt, damit sie eben mit Verstärker und ganz offiziell (sonst ist es gerade am Alex eigentlich verboten, wird aber geduldet) für ein Jahr direkt vor dem Brandenburger Tor singen und spielen dürfen. Die Berliner Schüler wollen mit ihrer Musik einfach dazu beitragen, Berlin schöner zu machen und mehr Musik auf die Straße zu bringen. Und es scheint zu funktionieren: Passanten bilden einen Halbkreis um die jungen Musiker und wippen begeistert im Takt mit.
Trotz völlig unterschiedlicher Motivationen, wollen diese Musiker alle eins: Musik machen auf Berlins Straßen und Plätzen. Vermutlich macht sogar der Mix all dieser Motive das Besondere der Straßenmusik aus: das Gefühl der Freiheit, der Spaß am Musizieren, nebenbei noch etwas Geld abstauben, die Musik mit anderen teilen zu können und sich ganz beiläufig noch eine Plattform zu schaffen, die eben doch das Potenzial für mehr Popularität oder wie Eric Wolves es beschreibt "mehr facebook-likes" bietet. Eine Bereicherung für jede Stadt ist es allemal! (cw)