Er war Picasso und Che Guevara in einer Person und verhalf gewissermaßen dem bekanntesten Pool-Baby der Rockgeschichte zum Ruhm. Alex Steinweiss, der Erfinder des Plattencovers starb im Juli 2011 im Alter von stolzen 94 Jahren in Florida. Unser Autor Jan Schütz wagt einen kleinen Nachruf:
Er zauberte aus Packpapier Kunstwerke und brachte Farbe in die Regale amerikanischer Musikläden. Während Plattencover seit der Einführung der CD und vor allem mit dem Einläuten des iPod-Zeitalters immer mehr an Bedeutung verlieren, glich ihre Erfindung vor mehr als 70 Jahren einer Revolution. Denn bis dahin fristeten die damals noch auf Schellack gebannten Vertonungen ein trostloses Dasein in tristen, grauen Papierhüllen, ähnlich denen, in die heute vielleicht noch der Metzger eures Vertrauens die Schnitzel einwickelt. Dies änderte sich im Jahr 1939, als sich der frischgebackene Stipendiat der "Parsons School of Design" Alex Steinweiss nach kurzer Selbständigkeit erfolgreich auf eine Stelle bei dem neu gegründeten Plattenlabel Columbia Records bewarb. Als Art Director sollte er mit dem Design von Werbetafeln die Produkte des jungen Konzerns vermarkten helfen. Dabei hatte er eines Tages eine Eingebung, die die Musikwelt in gewisser Weise für immer verändern sollte. Ohne seinen Geistesblitz hätte es beispielsweise das Cover von Pink Floyds Epos "Dark Side of the Moon" niemals gegeben. Denn das von der britischen Designschmiede Hipgnosis gewählte Motiv – ein Dreieck, das einen Lichtstrahl in seine Prismen zerteilt – beruhte ursprünglich auf dem von Steinweiss kreierten Umschlag für Beethovens fünfte Sinfonie.
Der am 24. März 1917 in Brooklyn, New York geborene Steinweiss, Sohn eines Schuhdesigners und einer Schneiderin, hatte von Anfang an die Vision, den Inhalt der Platten – sei es die Melodie, die Form der Musik oder den Titel – mit der Verpackung zu verknüpfen. Dies sollte Neugier wecken und letztendlich zum Kauf verführen. Ein Konzept, das trotz anfänglicher Skepsis seines Arbeitgebers mehr als aufging. So löste die mit seinen Farben versehene Neuauflage von Beethovens dritter Sinfonie "Eroica" einen wahren Verkaufssturm aus. Und während es gerade bei Rockbands heutzutage völlig normal ist, ihren Scheiben ein markantes Branding zu verpassen, wollte Alex Steinweiss mit seinen Schöpfungen eine konkrete Visualisierung des Inhalts erschaffen. Eine kreisende Abrissbirne, darauf der Albumtitel "Swinging Big Sound", kam dem schon sehr nahe.
Nachdem er mit seiner neuen Erfindung die Kassen von Columbia und anderen Plattenfirmen klingeln ließ, legte er während des zweiten Weltkrieges eine kurze Zwangspause ein, und tobte sich stattdessen an Schildern für die U.S. Navy aus. Kaum zurück bei Columbia gelang ihm dann ein weiterer Coup: Die Entwicklung der klassischen Einschubhülle, in die die damals neu entwickelte Vinylscheibe, die LP, gesteckt wurde. Nach erfolgreichen Schaffensjahren, in denen er vor allem in den Bereichen Jazz, Klassik und Pop für Furore sorgte, versetzte er sich selbst bereits im Jahr 1972 im Alter von nur 55 Jahren in den Vorruhestand.
Bis zu seinem Tod widmete er sich fortan unter dem Pseudonym Piedra Blanca (spanisch für: weißer Stein) der Replikation bekannter Kunstwerke. Aber vorher hatte er die Voraussetzung für zahllose künstlerische Meilensteine der Rockmusik geschaffen. Man denke nur an die Stones-Zunge, den Zebrastreifen der Beatles oder eben Nirvanas Pool-Baby, die es ohne seine ursprüngliche Idee, eine Plattenhülle als Werbefläche zu nutzen, wohl nie gegeben hätte. Er hat Generationen von Cover-Künstlern den Weg geebnet. Und dafür wird dir jeder Plattensammler auf ewig dankbar sein, lieber Alex. R.I.P. (js)