Wer beim Debüt bereits einen großen Wurf landet, hat es mit dem zweiten Album häufig schwer. Dann muss der Künstler nämlich muss zeigen, dass er seinen Wurzeln treu bleibt und sich dennoch weiterentwickelt. Im Fall von Jesper Munk, dessen Erstling ein echter Knaller ist, steht die zweite Platte beinahe vor einer unlösbaren Aufgabe: Wie soll er "For In My Way It Lies" denn jemals toppen? Andreas Babiak hat sich dennoch das neue Album "Claim" des Poster-Boy Deutsch-Dänen angehört:
Laute rockige E-Gitarren. "Courage For Love" ist die erste Etappe, auf die Jesper Munk uns mitnimmt. Schroff. In der Stimme liegt Gefühl, kraftvoll, voller Lebensleidenschaften – eigentlich überhaupt nicht das, was man einem 22-jährigen zutraut. Ein Kracher zum Einstieg. Aber soviel vorweg: das Album ist tatsächlich gut, auch wenn nicht alles gelungen ist.
Die zweite Nummer "Morning Coffee" ist ein gutes Bindeglied zwischen dem Erstling und der neuen Platte. Der Song hätte auch super auf das erste Album gepasst, zeigt er nochmal sehr gut, was dessen Zauber ausgemacht hat: diese leichten, aber wie in Whisky getauchten Melodien, vorgetragen mit Leidenschaft und Sehnsucht zu einem nicht aufdringlichen bluesig-rockigen Gitarrenspiel.
"Shakespeare & Heartbreak" klingt doch tatsächlich ein wenig zu ausproduziert für den Blondschopf. Für dieses Album hat Munk mit zahlreichen Produzenten in New York, Los Angeles und natürlich bei sich zu Hause bei München zusammengearbeitet. Hier merkt man, dass das nicht immer ganz passt; nichtsdestotrotz ist der Song spannend gestaltet und als Live-Version sicher nochmal einen Tick besser.
Der von Produzent Mocky – bekannt für seine Zusammenarbeit mit Feist – produzierte Sound in "Ya Don't Have To Say Goodbye" entführt in längst vergangene Zeit. Es kommen sofort Bilder wild tanzender fröhlicher Menschen in schwarz-weiß in den Kopf. Ein Gute-Laune-Song, der dem Album gut tut, weil er eine andere Seite von Munk zeigt.
"Soldiers Of Words" fungiert als Bruch zur bisher aufgebauten Stimmung. Ein sehr ruhiger, düsterer Song, minimalistisch. Ob das Aufeinanderlegen der Höhen und Tiefen von Munks Stimme gelungen ist, darüber lässt sich wohl streiten; mich stört es. Die ebenso ruhige und dunklere Nummer "Clean" ist da wesentlich gelungener, denn sie klingt weniger experimentell, ehrlicher. Alle, die Mockys Musik kennen, werden seinen Stil aber zu deutlich im Klavierspiel erkennen.
Mit "White Picket Fence" und "101 Proof" wird Munk wieder rockiger. "Reeperbahn" fetzt geradezu und Munk beweist sein ganzes Können als Sänger: Leidenschaft klingt für mich genau so! Und spätestens wenn der 22-jährige zu Randy Newmans großer Late-Night-Ballade "Guilty" ansetzt, versteht jeder eifersüchtige Mann, warum Frauen beim Gesang des Poster-Boys dahinschmelzen.
Auf der Suche nach Parallelwelten? Den passenden Soundtrack dazu liefert "The Parched Well", ein von Mocky produziertes Stück, das auf reduzierten Beats und Instrumenten fundiert und Munks Stimme wie aus einem Brunnen hallend klingen lässt. Man erahnt, dass es ein netter Song ist, man wird es aber nie richtig herausfinden.
Feiner Bluesrock und einer der besten Songs auf der Platte versteckt sich auf der vorletzten Etappe, auf die Munk uns mitnimmt. "Smalltalk Gentlemen" heißt das gute Stück. Munks Stimme und die E-Gitarre im Vordergrund – mehr braucht er eigentlich gar nicht um gut zu sein. Und selbst mit einer folkigen Akustikgitarre klingt "Cold Waters" doch tatsächlich nach einem gereiften Jesper Munk, dem man gerne ein paar kleinere Experimente verzeiht.
Vielseitiger zeigt Munk sich auf seinem zweiten Album. Seine Stimme ist immer noch sein Aushängeschild. Man traut jemandem, der aussieht wie ein blonder Bravo-Boy, einfach nicht zu, einen so mit seiner Stimme umzuhauen. Gelebt, rau, kratzig und dennoch einen Funken des Sonnenuntergangs trägt er in seiner Stimme, wenn er von Whisky und Zigaretten, Drogen und der Liebe singt. Auch die letzte Station "It Takes Two" zeigt nochmal seine düstere Seite.
Zwar arbeitet Munk mit vielen namhaften Produzenten zusammen, aber am meisten überzeugt er an den Stellen, an denen man seinen eigenen Stil herausraushört; einen Stil, der nur seine Handschrift trägt. Das Album ist sehr gut, es hat seine Höhepunkte. Vieles wird man sich auch noch in vielen Jahren gerne anhören, aber diesmal gibt es leider auch ein paar Kritikpunkte – beim Zweiten schaut man eben genauer hin. Und dennoch freue ich mich schon auf das Dritte! (ab)